Die Mestizin
sogleich rot anlief; sie trug eine Brille mit lupendicken Gläsern, einem gebrochenen und wieder zusammengeflickten Gestell, das auf ihrer Nase tanzte. Sie rannte von ihrer Hütte herüber und suchte den Pfützen auszuweichen, hatte aber so viel Pech, dass sie in sämtliche hineintrat und patschnass wurde. Sie kam japsend zu der Veranda gelaufen, auf der Erna und die Mädchen standen, rot wie eine Garnele, und schüttelte den Schirm aus. Die Mädchen holten ihr einen Klappstuhl, und sie ließ sich darauf niederplumpsen. Sie boten ihr Kringel an.
«Erst muss ich mal wieder Luft kriegen, keuch keuch.»
Sie schien gleich ersticken zu wollen. Die Mädchen starrten sie an. Aber als sie sich wieder erholt hatte, trank und aß sie mehr als alle zusammen. Ihr Mann schlief, er hatte in der Nacht einen draufgemacht, und die Kinder spielten auf der Straße im Schlamm. Sie hatte vier Söhne, jeder stammte von einem anderen Mann, alle vier so kurzsichtig wie sie.
«Wie lange wird es wohl noch regnen?», fragte sie. «Morgen ist Herbstanfang. Wie trist dieses feuchte Wetter doch ist. Das wird dein erster Winter hier sein, nicht wahr?»
Erna nickte.
Vom Fort hörte man den Sieben-Uhr-Gong. Es hatte aufgehört zu regnen. Der Himmel war silbern. Die beiden Frauen drehten sich eine Zigarette, rauchten und sahen den Mädchen zu, die die Straße hinuntergelaufen waren, als sie plötzlich ein Pferd kommen hörten. Die Biegung der Straße nahm ihnen die Sicht. Es brauchte lange, als würde es von einer Hütte zur anderen laufen, und tauchte schließlich in der Kehre auf: Es war ein Soldat, den sie beide kannten, ohne Käppi und mit nassem, angeklatschtem Pony. Als er sie erblickte, hielt er in seinem zögerlichen Ritt inne und lenkte den Schritt seines großen weißen Fohlens in ihre Richtung, bis er vor der Veranda auftauchte.
«Einen guten Tag den beiden Frühaufsteherinnen.»
«Wie kommt es, dass Sie um diese Zeit ausreiten?»
«Befehl vom Oberst», sagte der Soldat. «Eine Noteinberufung.»
Das war ungewöhnlich. Sie warteten darauf, dass er mehr sagen würde, aber er sah sie bloß an.
«Wenn das so ist», sagte die Nachbarin, «dann muss ich wohl meinen Mann wecken.»
«Machen Sie am besten schnell. In einer halben Stunde müssen sie antreten.»
«Warum denn?»
Er zuckte mit den Schultern. Erna bedeutete den Mädchen, ihm eine Zigarette zu geben, und er zündete sie sich selbst an.
«Worum geht es denn?», fragten sie ihn, «Sie haben doch bestimmt was gehört.»
«Ich dürfte es eigentlich nicht sagen, aber… wie es aussieht, furchtet der Oberst einen Indianerüberfall.»
«Einen Überfall?»
«Ja, genau. Einen Überfall.»
Die Nachbarin riss etwas theatralisch die Augen auf.
«Aber wie will er das denn wissen! Da müsste er ja ein Hellseher sein.»
Der Soldat warf ihr einen eiskalten Blick zu und sagte nichts. Sie ging grummelnd zurück in ihre Hütte und ließ den Regenschirm liegen. Erna hingegen blieb wie angewurzelt stehen. Der Soldat betrachtete sie durch den Rauch seiner Zigarette.
«Müssen wir uns auch im Fort verschanzen?»
«Wenn der Oberst es befiehlt. Wer weiß? Vielleicht sind die Indianer noch weit weg.»
Er warf die Zigarette fort und ging auf die letzte Hütte in der Straße zu.
Erna schickte ihre kleinen Freundinnen zurück ins Zeltlager und legte ihnen ans Herz, sie auf dem Laufenden zu halten, falls es Neuigkeiten geben sollte. Die Nachricht versetzte das ganze Dorf in Aufruhr, und jetzt kochte die Straße vor Betriebsamkeit. Die Soldaten kamen mit verquollenen Augen und halb angezogen aus den Häusern und schwangen sich auf ihre Pferde. Mit dem Kind auf dem Arm schloss sich Erna einem Zug von Nachbarinnen an. Dies war der erste Alarm seit ihrer Ankunft. Traditionellerweise griffen die Indianer im Sommer nicht an. Vielleicht wollten sie diesmal mit einer Plünderung den Herbstanfang feiern. Einige Frauen erzählten, sie seien schon einmal wochenlang im Fort belagert worden, eine Vorstellung, die ihr ziemlich missfiel, da sie sich schon so an ihre Ausflüge gewöhnt hatte.
Bald fiel ihnen nichts Neues mehr dazu ein und sie zerstreuten sich. Es hatte wieder ein leichter Nieselregen eingesetzt. Erna ging mit einer Nachbarin Kaffee trinken, einer jungen Frau, halb Indianerin, halb Weiße, die drei Kinder hatte und bald niederkommen würde.
«Wann ist es denn so weit?», fragte sie.
«Dieser Tage, es kann jeden Augenblick losgehen.»
«Nicht ganz der rechte Moment, falls sie uns ins Fort
Weitere Kostenlose Bücher