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Die Mestizin

Die Mestizin

Titel: Die Mestizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: César Aira
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Postroute, weil sie die dazwischen liegenden Dörfer vermeiden wollten, und stießen trotzdem auf einige. Eines Nachts reisten sie bei Mondlicht (sie hatten den ganzen Abend geruht) und kamen durch ein verschlafenes Nest. Die Pferde machten nicht das geringste Geräusch, als sie die ausgestorbenen Straßen durchquerten. Sie weckten niemanden auf. Daher erfahren sie auch nie, wer dort wohnte.
    Als sie sich nach Süden wandten, kamen sie wieder in Berührung mit dem Pillahuinco, von dem sie sich vor einem Monat entfernt hatten. Sie kosteten von dem Wasser und fanden es fürchterlich bitter, vielleicht wegen der Manganknollen, die vom Grund aufragten wie riesige Zigarren. Sie campierten einige Tage lang an einem Strand, wo sie höchstens ab und zu einen Vogel singen oder einen Fuchs schreien hörten. Alles war vertraut und fremd zugleich. Die Ungezwungenheit der Indianer wurde zu einem bebenden, unklaren Gefühl. Durch bloßes Raten kamen sie darauf, dass es bis zum Hauptdorf nicht mehr weit sein konnte. Vielleicht noch ein oder zwei Tagesmärsche. Die Jahreszeit schritt nun zügig voran. Die Echsen zogen sich aufs Festland zurück, um Winterschlaf zu halten.
    Eines Tages lief ihnen ein Tapir so groß wie ein Nashorn über den Weg, dessen erdbraunes Borstenfell graue Streifen durchzogen und dessen Hauer so lang waren wie der Arm eines Menschen. Seine Pfoten waren mit Schlamm bedeckt, ebenso der Schwanz und der Kiefer. Er trottete bis zur Mitte des Weges, stellte sich dort auf und blickte sie mit der Starrheit eines Insekts an. Dann grunzte er. Sie warfen einen Stein nach ihm, und er rannte so kopflos weg, dass er gegen einen Baum prallte.
    Nun hofften sie, auch weniger harmlose Tiere zu sehen. Catriels Förster waren führend in der Kunst der Zucht und hatten auf dessen Territorium die seltensten und schönsten – manchmal auch wildesten – Fasanenarten ausgesetzt. Sollten sie die ersten sehen, wäre die Hauptstadt nicht mehr weit. Nicht mehr gewöhnliche Tschatschalakas mit langem, grünem Schwanz und schriller Stimme oder gelbe Capueirawachteln, sondern echte Fasane mit buntem Gefieder und Buckel.
    Und so war es auch. Eines Tages tauchten sie plötzlich auf. Der erste war ein Düsterling so schwarz wie der Rauch (Erna hatte noch nie einen gesehen), mit aufgestelltem Kamm und übertrieben langem Schwanz. Auf einmal stand er da, mitten auf dem Pfad. Die Pferde zitterten und weigerten sich, auch nur einen weiteren Schritt zu tun. Der Schnabel des Fasans stand halb offen, die Flügel zitterten. Irgendwann schüttelte er wie verneinend den Kopf.
    Die Präsenz der Fasane sorgte für eine merkwürdige Art von Eleganz. Die längliche, dem Boden verhaftete Gestalt, das schwankende Gleichgewicht des Schwanzes, das kompakte Köpfchen. Und vor allem die Schreie, die im Urwald ihresgleichen suchten. Der Fasanenschrei ist die Kehrseite jeglicher Musik. Ein dichter Ton, der im Ansatz, vielleicht sogar vor dem Ansatz, schon wenn er in die Welt tritt, seine größte Intensität erreicht. Wer ihn hört, denkt sofort an die Festigkeit von Gold. Und er fragt sich, wie der Fasan sich auf der brüchigen Oberfläche des Grases halten kann und nicht im Planeten versinkt wie ein Stein im Wasser.
    Kurz darauf lief ihnen ein rotblauer Shogunfasan über den Weg. Wie der vorherige stellte er sich in die Mitte des Pfades und warf ihnen einen Blick zu, der noch nie durch ein Augenlid verschleiert worden war.
    Dann kam ein großer grauer Fasan an die Reihe, der zu den so genannten «Augustinertruthähnen» gehörte, und neben ihm ein winziger Papageienfasan, der den Blindenführer zu spielen schien.
    An diesem Tag jagte eine Erscheinung die andere. Bevor die Dämmerung einsetzte, hatten sie das unerwartete Glück, einen Goldfasan zu sehen. Die Sonnenstrahlen, die durch die Bäume drangen, verliehen ihm Glanz. In den Sekunden dieses Blickes hatten sie das Gefühl, die Luft verdunkle sich, die Nacht breche herein. Es hätte eine Statue sein können: die Allegorie des Reichtums.
    Um sie herum war alles verstummt. Nur der ferne, unbestimmte Gesang des Stieglitzes drang an ihr Ohr, und die Donnerschläge, die wie üblich den Sonnenuntergang begleiteten. Stieße der Goldfasan jetzt einen Schrei aus, dachten sie, würde ihnen das Trommelfell platzen. Er tat es aber nicht.
    Sie wollten nicht weiter. Nachdem sie ein paar Blätter gegessen und geraucht hatten, schliefen sie ein. Am nächsten Tag wurden sie auf ihrem Weg immer wieder von Fasanen aufgehalten,

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