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Die Mestizin

Die Mestizin

Titel: Die Mestizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: César Aira
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brachte ihm üppige Gewinne ein. Er führte ein exzessives gesellschaftliches Leben: Erna lernte die Kaziken in Huals Umkreis kennen, von denen alle dem einen oder anderen von Catriels Tributpflichtigen oder Satrapen Steuern zahlten.
    Obwohl sie sich in nichts von den Indianerinnen unterschied, weder in der dunklen Hautfarbe noch in den mongoloiden Zügen, fiel sie durch ihre Geschichte unter die Kategorie der Weißen, ja sogar der Gefangenen, ein romantischer Titel, der die Phantasie der Wilden anheizte. Allerdings ließ er die Kaziken vollkommen kalt: Hunderte von Gefangenen gingen jährlich durch ihre Hände, und nur eine verblüffende Erfindung vermochte sie in Aufregung zu versetzen. Dennoch hatte diese Gleichgültigkeit einen unbestimmten, aber nennenswerten Reiz.
    Nachdem sich Erna von Hual verabschiedet hatte, reiste sie den ganzen Sommer über mit einer Schar von jungen Männern umher, die in der Zeit nichts Wichtiges sahen. Der Sinn ihres Lebens schien darin zu bestehen, zu demonstrieren, dass es keine fixen Momente gab. Für sie klappte die Natur ihre Muschelschalen zusammen und bildete einen geschlossenen und glatten Saum, den sie «den Galasaum» nannten.
    Manchmal stießen sie auf einen besonders merkwürdigen Ort und hielten sich dort wochenlang auf. Sie jagten in der näheren Umgebung oder fischten oder sammelten Pilze. Sie angelten mit Ruten aus Timbaholz und fingen Vögel mit lähmendem Rauch, den sie verbreiteten, indem sie Papierballons mit Pfeilen abschossen. Erna legte eine Schmetterlingssammlung an und gab sie wieder ab. Die Kästen tauschte sie gegen ein goldenes Pferdchen, das sie Anis taufte. Für Francisco und die Kleine ließ sie einen Doppelsattel fertigen.
    Sie reisten zu Pferd oder auf leichten Karren, selten schneller als ein Mensch zu Fuß. Erna wunderte sich. Die Gebiete, die sie durchquerten, waren riesig, und das Tempo, das sie anschlugen, erschien ihr im Vergleich dazu unverhältnismäßig langsam. Trotzdem kamen sie immer überall hin. Sie zog daraus den Schluss, dass Entfernungen Phänomene waren, die man auf Unmittelbarkeit reduzieren konnte, und dass die menschliche Bewegung eine Transformation war.
    Kaum waren sie in ein Dorf eingezogen, erforschten sie dessen Hierarchien und statteten entsprechend ihre protokollarischen Besuche ab. Sie wurden freundlich – im schlimmsten Falle nachlässig – empfangen. Wenn der Aufbruch nahte, blieben manche dort, wenn es ihnen gefiel; oder aber ein Mitglied des Stammes riss sich darum, sie zu begleiten.
    Bis auf Ausnahmen waren alle Tributpflichtige oder Untertributpflichtige Catriels, einige waren reicher oder berühmter als andere, manche umgeben von Gerätschaften und Phantasien, andere nackt. Aber es war immer das Gleiche: Nichtstun, Rivalität zur Welt. Sie erzählten sich gern Geschichten über die Könige des Westens. Einer behauptete, er sei einmal an einen solchen Hof gelangt, ein anderer sagte, er habe irgendwo Cafulcurás Leibgarde gesehen. Diese legendären Namen brachten sie zum Träumen. Erna ging mit dem Wunsch schwanger, die Wohnstatt irgendeines Königs zu besichtigen, man sagte ihr jedoch, es sei nicht möglich. Viele hegten diesen Wunsch, so dass sie schließlich den Plan fassten, Catriels Siedlung zu besuchen. Dafür mussten sie immer geradeaus gen Westen ziehen, tagein, tagaus reisen, monatelang. Die Kaziken, bei denen sie sich damals gerade aufhielten, unterstützten das Projekt. Offenbar durchlebte Catriel eine Phase der Détente, die sich nun schon Jahre hinzog. Da sein Hof «eingefroren» war, würde es ihnen nicht schwer fallen, dort eingeführt zu werden. Man empfahl ihnen sogar bestimmte Beamte und Damen, die wahrscheinlich nur in der Phantasie ihrer Gastgeber existierten.
    An einem Tag Anfang Oktober brachen sie frühmorgens auf, zogen einen Korridor aus versunkenen Ebenen entlang, durch ferne Zwischenreiche des Waldes.
    Schnell reisten sie nicht, weil alles sie zum Anhalten zwang. Im Schnitt ruhten sie jeden dritten Tag und versorgten sich mit Lebensmitteln. Aber sie kamen voran. Was daran zu sehen war, dass die Orte, die sie durchquerten, immer fremder und merkwürdiger wurden. Sie fingen und kosteten Vögel, deren Geschmack neu für sie war, zum Beispiel Bergtauben, die im Hinterleib eine Rolle Eier verbargen. Manchmal lief ihnen ein seltsames Wesen über den Weg, das stehen blieb, um sie neugierig anzustarren. Alle Landtiere, die sie sahen, hatten prachtvolle Schwänze.
    Sie folgten nicht der regulären

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