Die Mestizin
die seelenruhig dastanden, und danach von etwas, das noch außergewöhnlicher war.
Sie kamen auf eine weite Lichtung, die auf den ersten Blick leer zu sein schien, doch dann plötzlich stiegen vom Boden die Farben der Fasane auf, die im Gras verstreut saßen. Ein ganzer Schwarm. Das dominante Männchen und die Regenten, die Weibchen und die Küken, alle auf die gleiche Matrize gepaust: rote, gelbe und himmelblaue Fasane, dünn wie Wildhunde, mit geplusterter Brust und zerbrechlichem Hals, die knorpeligen Hauben schwarzblau glänzend. Sie schauten die Eindringlinge an, ohne sie zu sehen.
Wie vermutet, gelangten sie am nächsten Tag an den Ort, an dem der mächtige Catriel ab Herbst Hof hielt. Es war eine Senke, an deren tiefster Stelle, von Brücken überspannt, der Pillahuinco floss; an jedem Steg lag eine Bootstraube, darum runde Strände oder Steilufer, die mit Badehäuschen übersät waren. Die Reisenden sahen alles aus der Vogelperspektive, ein Anblick, der durch das bunte Durcheinander bezaubernd war. Ein etwa zwei oder drei Meilen langer Abschnitt entlang des Flusses war vollständig mit Villen bebaut, die so schön und so groß waren, wie Erna noch nie welche gesehen hatte. Die morgendliche Luft brachte das Gewebe der Mauern zum Flirren, die ganze Stadt sah aus wie ein bunt sich kräuselnder See: königliches Maulbeer, Himmelblau, Gold und vor allem mattes Orange, die emblematische Farbe der Indianer. Hie und da, in wohlüberlegtem Kontrast zu der Seide und dem Papier, lagen mit Kieselsteinen bedeckte Plätze, aus denen runde Begräbnistürme aus weißem Stein, so genannte Chullpas, aufragten.
Nicht einmal die schönen Fasane hatten sie auf diesen Panoramaeffekt vorbereitet. Eine Stunde lang ritten sie den Saum der Hochebene entlang, ohne die Augen von der Stadt unten zu wenden, bis sie auf einen der Pfade stießen, die hinunterführten. Kaum hatten sie ihn betreten, versanken sie im Blattwerk und verloren die Hauptstadt aus dem Blick. Zwischen den Pflanzen standen Zelte oder improvisierte kleine Schutzhütten, die den Beamten wohl als Rasthäuser dienten.
Sie ließen sich Zeit mit dem Abstieg, und so erreichten sie die Vororte erst gegen Mittag. Alles betrachteten sie mit fürchterlich provinziellem Staunen, alles interessierte sie. Wahre Massen wälzten sich über die Bürgersteige, Menschen aller möglichen Rassen. Ein Reitlehrer führte eine zehnköpfige Kinderschar auf weißen Mauleseln an. Eine kleine stämmige Amazone saß auf einer geschorenen Ziege. Zwei Frauen waren geschminkt wie die Königin der Nacht: blau mit weißen Sternen. Ein schwarz angemalter Blinder. Schwermütige Männer mit Angeln über der Schulter auf dem Weg zum Bach. Karren aus Bambus und lackiertem Holz, in denen irgendwelche Reichen saßen; gelenkt wurden sie von Dienern mit gefiederten Goldhelmen, die sich ihren Weg mit schellenbesetzten Ruten bahnten. Die Kinder gingen auf Stelzen oder schaukelten in Hängematten. Sie bogen in einen der Boulevards ein, die ins Zentrum führten. Die majestätischen Geschäfte waren äußerst geräumig. Oft lag deren Eingang am Ende eines Atriums, wo Wächter und Hunde postiert waren.
Kaum einer nahm wahr, dass sie Ausländer waren, also erregten sie auch kein Aufsehen. Die Stadt wurde tagtäglich von Gesandtschaften überschwemmt, die Catriels unzählige Tributpflichtige stets ohne Grund zu ihm schickten. Sie machten einem Protokollbeamten die Aufwartung, der sie freundlich zu einem über dem Ufer gelegenen, von der Vegetation überwucherten Schutzraum führte; nichts hätte darauf hingedeutet, dass sie sich mitten in einer Stadt befanden, über den Baumwipfeln, wären da nicht Spitzdächer oder Schiebegewölbe zu sehen gewesen. Sie aßen zu Mittag, schwammen oder gingen am Ufer spazieren, schauten sich die Boote mit den Fischern an, plauderten mit den Badenden. In den Tiefen schattiger Senken, zwischen Mauern aus spanischem Moos und weißen Ranken, die nie einen Sonnenstrahl abbekamen, standen versteckt kleine Zelte, aus denen ein schwerfälliger Mensch oder wieselflinke Kinder kamen. Die Umgebung des Baches strahlte Ruhe aus. Nachmittags trafen Einladungen ein, und das Gefolge löste sich endgültig auf. Die einen sahen sich Schauspieler an, die anderen schrieben sich in der berühmten Bauakademie ein, der Rest zog zu neuen Bekannten. Erna richtete sich mit ihren beiden Kindern bei einem Krieger ein, der sich auf den ersten Blick in sie verliebt hatte, obwohl er bereits zwei Frauen besaß;
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