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Die Meute der Morrigan

Die Meute der Morrigan

Titel: Die Meute der Morrigan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pat O'Shea
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Schlafsälen zu Bett gegangen waren, nicht gestört
würden. Der Mann mit der merkwürdigen Gestalt hörte ihr zu und nickte. Dann
verschwanden sie beide, jeder in eine andere Richtung.
    Als Pidge und Brigit sich
wieder dem Tisch zuwandten, merkten sie zu ihrer Bestürzung, daß jemand ihnen
lautlos ein Abendessen serviert hatte, während sie wegsahen. Zwei warme,
überdeckte Teller standen vor ihnen und ein Silbertablett mit Zucker, Milch,
einer Kanne heißem Tee und einem Deckelkrug voll heißem Wasser. Sie hielten
nach jemandem Ausschau, der es wieder wegtragen könnte, jemand, der sich ihre
Erklärungen anhören würde; aber ringsum war niemand, der servierte, und die
verschiedenen Gästegruppen warfen ihnen keine verstohlenen Blicke mehr zu und
schienen ganz und gar unbeteiligt.
    «Vielleicht können wir morgen
früh abspülen als Bezahlung für die Übernachtung, wenn unser Geld nicht reicht;
aber das Essen sollten wir lieber gar nicht anrühren», sagte Pidge.
    «Wenn ich an Essen denke, wird
mir schlecht», antwortete Brigit. «Aber ich seh’ nicht ein, warum wir für die
abspülen sollen. Ich bin dafür, daß wir ganz früh abhauen, während die noch
alle schlafen. Wir können doch nichts dafür, daß sie uns nicht zuhören wollte,
oder? Und überleg dir mal, wieviel Geschirr das gibt, bei der Menge Leute — und
dann noch all die anderen, die schon schlafen. Nein danke!»
    «Na ja, vielleicht hab’ ich
genug Geld, um die Übernachtung zu bezahlen. Wir werden ja sehen. Falls sie
nicht allzuviel verlangen natürlich.»
    Während sie sich fragten, was
sie tun sollten, hob Pidge einen toten Nachtfalter auf, der in einer Kerbe der
hölzernen Tischplatte lag, und merkte, daß sich seine Finger dabei golden
verfärbten. Daran war nichts Ungewöhnliches; aber es berührte ihn seltsam, daß
es sich eiskalt anfühlte auf seiner Haut, und das war etwas Merkwürdiges, das
nicht so recht zu einem kleinen, toten Nachtfalter paßte.
    Aus der Düsternis am anderen
Ende der Halle sahen sie den Mann mit der merkwürdigen Gestalt auf sich
zukommen. Er hatte einen großen, untersetzten Leib auf kurzen, dünnen Beinen.
    Sein Kopf saß unmittelbar auf
den Schultern; dazwischen war kein bißchen Hals zu sehen. Ein wenig sah er aus
wie eine zweibeinige Krabbe. Pidge war sicher, daß man nicht sehen konnte, wer
er wirklich war, und daß er wahrscheinlich ziemlich mager war und nur eine Art
Umhüllung aus Pappe oder Draht unter seiner Kleidung trug, die ein Kostüm sein
mußte. Es war besser, sich das vorzustellen, als zu glauben, er sei wirklich so
eigenartig gebaut, wie er aussah; und Pidge schob den unangenehmen Gedanken an
böse Zwerge, der sich ihm aufdrängen wollte, rasch beiseite.
    Der Mann stand neben ihrem
Tisch und zeigte auf das Essen.
    Pidge erklärte stammelnd alles
noch einmal. Der Mann zuckte, soweit er das konnte, mit den Schultern, als
verstehe er nicht, was Pidge sagte, oder als habe er es gar nicht gehört. Er
machte eine Handbewegung zu seinem Mund.
    Soll das bedeuten, daß er nicht
sprechen kann oder daß wir essen sollen? fragte sich Pidge. Noch einmal
erklärte er alles und schloß damit, daß sie nicht den geringsten Hunger hätten.
    «Wir fasten gerade!» sagte
Brigit deutlich, so laut sie konnte, und fügte dann in normalem Tonfall hinzu:
«Zu wohltätigen Zwecken.»
    Der Mann machte wieder einen
Versuch, die Schultern zucken zu lassen und bedeutete ihnen dann, ihm zu
folgen. Er brachte sie zu einer kleinen Tür, die auf eine schmale, gewundene
Steintreppe führte; die Stufen waren durch jahrhundertelange Benutzung in der
Mitte ganz ausgetreten. Von irgendwo oben fiel ein Lichtschimmer herab. Der
Mann trat beiseite, um sie vorausgehen zu lassen, und sie stiegen hinauf,
Brigit voller Neugier, Pidge mit einer Gänsehaut.
    Schließlich gelangten sie zu
einer offenen Tür, die in ein kleines Zimmer führte, und sie sahen, daß das
Licht von hier kam. Aber die Treppe wand sich von der Tür aus noch weiter nach
oben, und Pidge war nicht sicher, ob dieses Zimmer für sie gedacht sei;
trotzdem ging er hinein, und Brigit folgte ihm.
    Es war ein gemütliches,
holzgetäfeltes Zimmer mit einem hell flackernden Feuer im Kamin, einem Fenster,
das mit schweren Gardinen verhängt war, und zwei kleinen Himmelbetten, deren
Vorhänge ebenfalls zugezogen waren. Neben dem rotschimmernden Feuer standen
zwei hochlehnige, bequeme Stühle mit eigenen kleinen Fußschemeln, die mit
Brokat bezogen waren. Das Parkett glänzte wie

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