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Die Meute der Morrigan

Die Meute der Morrigan

Titel: Die Meute der Morrigan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pat O'Shea
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und
begab sich in tiefe Versenkung. Sie erforschte den Geist des Wachtmeisters aus
der Ferne und plünderte seine unbewachten Gedanken.
    Aus solch kleinen
Entscheidungen wie der der Mórrígan entstehen Fehler.
     
    Immer noch vergnügt, sagte der
Wachtmeister:
    «Ich glaube wirklich, ich bin
auf einer Fahrt ins Blaue, und ich darf sie gratis machen. Nur schade, daß ich
zu schnell bin, um die Aussicht richtig zu genießen, aber es ist immer noch
besser, als mit einer Gummiente auf dem Amazonas zu schwimmen.»
    Während seine Gedanken angenehm
herumspazierten, sah er plötzlich zu seiner Überraschung eine kleine Gestalt
vor sich auf die Straße plumpsen.
    Er drückte die Bremsen, so fest
er konnte, stemmte seine Füße nach unten, so daß seine Zehenspitzen die Straße
berührten, und versuchte, die rasende Geschwindigkeit des Fahrrads zu
verringern, um rechtzeitig anhalten zu können.
    Zwei kleine Staubwolken stiegen
von seinen Füßen auf, die über die Erdkruste der Straße kratzten, und seine
Füße wurden in den Stiefeln warm wie frischgekochter Pudding. Funken stoben, es
roch nach versengtem Leder; aber er brachte das Fahrrad im letzten Augenblick
zum Stehen.
    Der Wachtmeister stieß einen
Seufzer der Erleichterung aus, mit dem er ein paar dankbare Sekunden lang alle
Luft abließ, und musterte die Gestalt streng. Dann sah er, daß es ein rosiges
kleines Mädchen war, hübsch und rundlich, mit Grübchen und blonden Locken. Es
saß unschuldig mitten auf der gefährlichen Straße.
    Das ist empörend! Sie ist ja
noch ein Baby! sagte der Wachtmeister entrüstet zu sich selbst.
    Als er auf das kleine Ding
zukam, abstieg und sich zu ihm niederbeugte, lächelte es ihn ernst an. Seine
Grübchen vertieften sich noch, und es hielt ihm mit seiner kleinen, dicken
Faust eine Rose entgegen.
    Der Wachtmeister war entzückt
Es war genau die Rose, an die er einige Augenblicke zuvor gedacht hatte.
    «Ist die für mich?» fragte er
schelmisch.
    Das kleine Mädchen nickte und
steckte den Finger in den Mund.
    «Na, dank dir. Du bist aber ein
braves kleines Mädchen!»
    Das kleine Mädchen kicherte und
nickte sehr feierlich.
    «Und was hast du da in deiner
anderen Hand?»
    Das kleine Mädchen zeigte ihm
einen Gegenstand aus Schilfgras. Er war wie eine lange, runde Laterne geformt —
ein Zylinder und die Schilfhalme lagen dicht nebeneinander wie Dachstroh. Das
Ende, das sie in der Hand hielt, lief spitz zu und bildete einen geflochtenen
Ring.
    «Meins», sagte sie.
    «Sehr hübsch», sagte er. «Ist
das ein Puppenhaus?»
    Sie schüttelte wild ihre
Locken.
    «Schmefferlingskäfig», lispelte
sie.
    «Und hast du auch einen
hübschen Schmefferling drin?» fragte er spitzbübisch.
    Die Kleine nickte wieder.
    Ich habe wohl ihr Zutrauen
gewonnen, sagte er sich, während er die Rose ins oberste Knopfloch seiner
Uniformjacke steckte. Wenn sie mir erst vertraut, dann kann ich sie vielleicht
hochheben und auf mein Fahrrad setzen, ohne allzuviel Geschrei und Gebrüll und
Gestrampel. Diese kleinen Lämmer können einem ganz schöne Tiefschläge
versetzen, wenn ihnen was nicht paßt Und dann werd’ ich sie zu ihrer Mutter
heimbringen und werde der Dame was erzählen. Man stelle sich nur mal vor — läßt
so einen kleinen Engel mitten auf der Straße sitzen!
    «Zeigst du mir deinen hübschen
Schmetterling — Schmefferling?» schmeichelte er.
    Schüchtern hielt das kleine
Mädchen seinen Käfig in die Höhe, und der Wachtmeister beugte sich zu ihm
nieder. Er hielt sein Gesicht ganz dicht an die Schilfhalme und versuchte sie
mit der Spitze eines Fingernagels auseinanderzubiegen.
    Das kleine Mädchen begann zu
lachen.
    Der Wachtmeister war ein wenig
überrascht, als er merkte, daß es nicht das Lachen eines Kindes war.
    Bevor er sich aufrichten und
einen Blick auf das Mädchen werfen konnte, merkte er, daß er sich im Inneren
von etwas wie einer massiven grünen Einpfählung befand, sein Fahrrad neben
sich. Das ganze Gefängnis lief irgendwo hoch über seinem Kopf spitz zusammen.
    Außerhalb der grünen Wände
kreischte jemand wild vor Lachen. Er versuchte die Arme auszustrecken, um die
grünen Pfähle auseinanderzubiegen, doch da merkte er, daß er ganz plötzlich
erstarrte. So sehr er sich bemühte, er konnte keinen Muskel regen, gerade daß
sich seine Augenlider noch öffnen ließen.
    Und jetzt? fragte er sich
düster. Nun kriegt mein Rad auch noch eine ganz komische Farbe, als hätte ich
nicht sonst schon genug Sorgen. Was habe ich denn bloß

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