Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Meute der Morrigan

Die Meute der Morrigan

Titel: Die Meute der Morrigan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pat O'Shea
Vom Netzwerk:
er.
    «Warum?» fragte Brigit.
    «Die Steine gehören schließlich
mir, oder?»
    «Na gut. Das ist gerecht.»
    Er begann zu spielen und
benutzte nur die linke Hand. Den Stein mit dem Blut darauf behielt er
sorgfältig in der rechten. Mit den Höhlungen auf seinem Handrücken konnte er
die Steine gut auffangen, und nur einmal sprang einer herunter, weil er auf
einem Knochen gelandet war.
    «Jetzt bist du dran, meine
Süße», sagte er und setzte sich auf den Boden.
    «Wir spielen sechs Runden»,
bestimmte Brigit, nahm ihre Steine auf und wog sie in der Hand.
    Brigit schien ziemlich
unbekümmert zu sein. Pidge schlug das Herz im Hals, während er ihr zuschaute.
Sie sah mit einem Mal ganz versunken aus, so als träume sie. Sehr konzentriert
bewegten sich ihre Handgelenke mit schlafwandlerischer Sicherheit. Sie machte
keine falsche Bewegung. Pidge hatte den Eindruck, als bewege sie sich im
Rhythmus einer einschläfernden Musik; sie beeilte sich nicht, sie machte keinen
Fehler. Im Spielen murmelte sie etwas vor sich hin, aber Pidge verstand nicht,
was sie sagte. Sie spielten sechs Runden, und der Glomach wurde immer unruhiger
und wütender, weil Brigits geschickte Hände dauernd gewannen. Bei ihrer letzten
Runde verstand Pidge, was sie sagte; jedesmal, wenn sie die Steinchen in die
Luft warf, flüsterte sie: «Hoppla-Gänseblümchen!» Er fragte sich, ob Angus Óg,
der ihr guter Freund Patsy und der Gott der Liebe war, hörte, daß Brigit ihn
mit dem Namen seiner Blume anrief, und er erinnerte sich daran, wie sie Ketten
aus Gänseblümchen um die Handgelenke getragen und sie Handschellen genannt
hatte, und wie stark sie gewesen waren, nachdem sie sich in Metall verwandelt
hatten.
    «So!» sagte sie zum Schluß.
«Ich habe gewonnen. Sie müssen mir den Stein geben, und ich behalte meine
Brosche.»
    Pidge platzte beinahe vor
Stolz, als er sie ansah.
    «Niemals! Noch ein Spiel, das
soll dann endgültig entscheiden!» forderte der Glomach.
    «Noch eine Runde? Sie sind
gut!» sagte Brigit «Ich hab’ offen und ehrlich gewonnen.»
    «Niemals!» wiederholte der
Glomach. «Du hast gemogelt Bestimmt hast du gemogelt, denn mich hat noch nie
einer besiegt.»
    Pidge fuhr auf. Er wußte, daß
er nichts zu verlieren hatte.
    «Sie sind ein Lügner — sie hat
nicht gemogelt», rief er. «Sie sind der Mogler!»
    «Sehen Sie?» sagte Brigit
verächtlich. «Ich hab’ sie besiegt — also rücken Sie den Stein heraus, Sie
elender Lügner!»
    «Nein», sagte der Glomach. «Im
Augenblick hab’ ich euch zerlegt und in die Suppe geworfen. Zwei Kühe, acht
Kaninchen, vier Hühner, eine Ente, zwei Ziegen und ‘ne Zwiebel und ‘ne gelbe
Rübe. Und jetzt hab’ ich auch noch zwei Nudeln. Übrigens mag ich gelbe Rüben
nicht — aber meine Mutter hat gesagt, sie wären gut für mich.»
    Brigit strafte ihn mit
Verachtung. Sie kannte den Glomach letzt und betrachtete ihn nur als verwöhntes
Kind.
    «Machen Sie sich doch nicht
lächerlich», sagte sie ärgerlich, «wir sind Menschen, keine Zutaten für eine Suppe.
Sie sagen diesen Blödsinn ja nur, weil Sie verloren haben, Sie hundsgemeiner
Jammerlappen!»
    Der Glomach verschwand hinter
der Feuerstelle, und als er zurückkam, hatte er ein Messer in der Hand. Er
beugte sich über den Kessel, rührte eine Weile mit seinem Messer darin, und
dann lehnte er sich in den Bogendurchgang und sah sie mit funkelnden Augen an.
    Brigit wurde noch ärgerlicher.
Sie stampfte mit dem Fuß auf.
    «Spielen Sie nicht den
Verrückten, nur weil Sie verloren haben», sagte sie. «Außerdem sollten Sie
nicht mit einem Messer herumspielen — wissen Sie das denn nicht? Was würde Ihre
Mutter dazu sagen, wenn sie das sehen könnte?»
    Der Glomach brach wieder in
Tränen aus.
    Und Pidge merkte, daß der Riese,
auch wenn er sonst dauernd gelogen und betrogen hatte, seine Mutter wirklich
liebte, vielleicht, weil nur eine Mutter ihn lieben konnte.
    Und er schrie ihn an, so streng
er konnte.
    «Sie sind ein verdammter Narr.
Wir hätten Sie gemocht, wenn Sie’s zugelassen hätten. Wir haben uns schon fast
daran gewöhnt, wie häßlich Sie sind — aber wenn Sie so dumm sind, dann bleiben
Sie lieber allein.»
    Dann sah er sich nach dem
Höhlenausgang um und dachte, sie sollten wenigstens einen Fluchtversuch
riskieren; denn im Gegensatz zu Brigit wußte er, daß der Glomach es ernst
gemeint hatte. Das Blut schoß ihm in den Kopf, und er fühlte es in seinen
Schläfen hämmern.
    Der Glomach hörte auf zu weinen
und sah sie beide

Weitere Kostenlose Bücher