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Die Meute der Morrigan

Die Meute der Morrigan

Titel: Die Meute der Morrigan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pat O'Shea
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kriegen.»
    «Erzähl nichts von ihnen und
von dem, was passiert ist, Brigit.»
    «Warum denn?»
    «Sie macht sich vielleicht
Sorgen oder bekommt Angst»
    «Tante Bina? Die hat doch vor
nichts Angst. Die würde sich an einen wilden Stier herantrauen mit nichts als
einer Feder in der Hand.»
    «Wenn sie hingeht, um ihnen die
Meinung zu sagen, verwandeln sie sie vielleicht in irgendwas.»
    «In was denn?»
    «In irgendwas. Ein Huhn oder —
einen Eierbecher oder irgendwas anderes.»
    «Oje!»
    «Und sie würde uns vielleicht
nicht mehr weglassen, wenn sie’s wüßte. Wir müßten vielleicht im Haus oder in
der Nähe bleiben.»
    «Ach so. Und was ist mit Papa,
wenn er zurückkommt?»
    «Ihm darfst du’s auch nicht
erzählen. Sie hätten keine Ruhe mehr und wären die ganze Zeit besorgt. Und
irgendwie sind wir in all das verwickelt, was da vor sich geht — und wie sollen
wir etwas tun, wenn wir nicht rausdürfen?»
    «Was könnten wir denn tun?»
    «Ich weiß es nicht — noch
nicht.»
    «Und wenn ich wenigstens von
Puddeneen oder von meinen Handschellen erzählen würde?» fragte Brigit
nachdenklich.
    «Lieber nicht.»
    Als sie über die letzte Mauer
kurz vor ihrem Haus kletterten, sahen sie einen Wachtmeister auf seinem Fahrrad
vorbeifahren. Er fuhr in die Richtung, wo Mossie Flynns Haus stand.
    «Ich hoffe, er nimmt die zwei
für irgendwas fest und jede kriegt sechs Monate Kittchen», sagte Brigit.
    «Das hoffe ich auch.»
    «Sie haben uns nicht verfolgt,
siehst du? Weil sie nämlich Angst haben, daß ich noch mehr Zauberei mit ihnen
treibe. Weißt du noch, wie ich sie zum Schreien gebracht habe?»
    «Ach, die haben keine Angst vor
dir und mir, glaub mir, Brigit. Irgendwas anderes muß sie abgehalten haben,
sonst hätten sie uns leicht gefangennehmen können — wenn sie gewollt hätten.»
    «Ob Tante Bina mögen würde, daß
ich sie in zwei Teile zersäge? Ich wette, daß ich’s könnte, wenn ich eine Kiste
hätte. Und eine Säge.»
    «Aber Brigit!»
    «Schon gut. Ich werd’ nichts
sagen. Ich möchte nämlich keinen Eierbecher und kein Huhn als Tante.»
    Sie blieben einen Augenblick
auf der Mauer sitzen. Ihr Haus war gleich auf der anderen Straßenseite. Sie
sahen den leeren Pferde-Anhänger auf dem Hof stehen und wußten, daß ihr Vater
mit der neuen Stute aus Dublin zurückgekommen war.
    Sie war endlich da.
    Es ist seltsam, daß ich es
während der Abenteuer heute morgen ganz vergessen habe, dachte Pidge. Und ich
hatte doch so lange so sehnsüchtig darauf gewartet.
    Sie sprangen von der Mauer und
liefen hinüber, um sie sich anzusehen.
     
    Michael, ihr Vater, stand
allein im Hof und hielt in der einen Hand den Zügel, während er mit der anderen
das lange, schmale Gesicht der Stute streichelte.
    Sie war so cremefarben und
seidig und schön, wie Pidge sie sich vorgestellt hatte.
    Er versuchte, alles an ihr mit
einem gleitenden Blick wahrzunehmen; den wunderbaren Kopf und ihre ganze
Gestalt; das Schimmern ihrer Flanken und die goldenen Strähnen in ihrer dichten
Mähne im Licht der Nachmittagssonne. Er sah die Kraft ihres Körpers und das
Beben ihrer wohlgeformten Muskeln; die Schönheit ihres feinen Kopfes und die
Anmut ihrer schlanken Beine. Er fragte sich verwundert, wie diese Beine einen
so starken Körper tragen konnten, und war verblüfft, daß es nicht unmöglich und
komisch aussah, sondern ganz richtig.
    Pidge sah seinen Vater mit
einem breiten Lächeln an; aber Michael war so von dem wundervollen Tier
gefangengenommen, das nun ihm gehörte, daß er es gar nicht bemerkte.
    Brigit bat darum, hochgehoben
zu werden, wie sie es immer tat, wenn ihr Vater von irgendwoher zurückkam, wenn
er nur auf dem Feld gearbeitet hatte; aber er schien sie gar nicht zu hören.
    «Wo ist Sally?» fragte Pidge.
    Sally war ihr guter, lieber,
treuer, drolliger und verspielter Hütehund, der Michael stets auf den Fersen
folgte. Die Leute nannten sie Michaels Schatten.
    Sein Vater schien die Frage
nicht gehört zu haben, deshalb fragte er noch einmal.
    «Sally? Ach, sie ist
davongelaufen oder verlorengegangen, als ich die Stute kaufte», antwortete sein
Vater gedankenlos und streichelte weiter das schmale, schöne Gesicht.
    «Was?» sagte Brigit. «Sally ist
weg?»
    «Scheint so.»
    Pidge traute seinen Ohren nicht
Sally war verlorengegangen oder weggelaufen, und seinem Vater war das
gleichgültig? Aber er hängt doch an ihr, er muß sehr traurig gewesen sein und
überall nach ihr gesucht haben; wahrscheinlich spricht er nicht

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