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Die Meute der Morrigan

Die Meute der Morrigan

Titel: Die Meute der Morrigan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pat O'Shea
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darüber, damit
wir uns nicht aufregen.
    «Konntest du sie nirgends
finden?» fragte Pidge.
    «Warum sollte ich mir die Mühe
machen, nach ihr zu suchen?» antwortete Michael, ohne auch nur für einen Moment
den Blick von der Stute zu wenden und die Kinder anzusehen oder richtig
wahrzunehmen, daß sie da waren, und seine Worte klangen irgendwie seltsam und
hartherzig.
    Er ist wie in Trance, dachte
Pidge; darauf wandte die Stute den Kopf und sah ihn an.
    Zu seinem Schrecken sah er in
ihren Augen eine Art Flammen, die einen Moment wild aufflackerten und dann
zusammenschmolzen zu etwas wie zwei roten Steinen oder kleinen Feuern, tief im
Innern der Pupillen. Es sah so merkwürdig und erschreckend aus, daß Pidge
schaudernd zurückwich.
    Zwei Schwalben kreisten in der
Luft und ließen sich auf dem Stalldach nieder, wo Generationen von Schwalben
unter der Dachrinne ihre Nester gebaut hatten. Sie waren glücklich und begannen
zu singen.
    Die Stute hielt einige Sekunden
lang Pidges Augen gefangen, dann ließ sie mit einem einzigen Blick hinauf den
kehligen Gesang der Schwalben ersterben. Die Vögel kauerten sich zusammen und
wurden sehr klein. Und die Stute sah Pidge wieder unverwandt in das entsetzte
Gesicht.
    Im Geist stieg ein Bild vor ihm
auf; Scharen wunderschöner bunter Schmetterlinge, von denen manche riesengroße
Flügel hatten, fielen sterbend zu Boden und wurden zu schmutziger Asche;
herrliche Bäume, deren Blätter herabwirbelten, bis die Zweige kahl waren; und
dann rauchende Äste und Stämme, die sich spalteten und gekrümmt vor Schmerzen
zu Boden sanken und zu Asche wurden wie die Schmetterlinge und sich in Lachen
schauerlichen, dunklen, zähflüssigen Wassers verwandelten; und Menschen auf den
Feldern, die zu seltsam entstellten, kriechenden, weinenden Wesen wurden.
    Verwundert und entsetzt sah
Pidge seinen Vater an.
    «Sie hat seltsame Augen», sagte
er fast stammelnd, «sie sind innen ganz rot»
    Michael lachte befremdend laut
und hart, und er sah Pidge kalt und durchdringend an, als kenne er ihn nicht
und als sei er ihm so gleichgültig wie Sally.
    Pidge spürte eine Art Schmerz
in seiner Brust und fühlte sich ganz elend. Er versuchte seinen Vater
anzulächeln, aber es ging nicht, denn in seinem Hals saß ein dicker Kloß, und
Tränen stiegen ihm in die Augen.
    Wieder zog die Stute seinen
Blick an. Es sah aus, als läge in ihren Augen ein Hauch von böser Freude oder
Befriedigung, wenn so etwas überhaupt möglich war. Es war ein flüchtiger
Moment, bevor ihr Blick plötzlich eine derart wilde Klugheit ausdrückte, daß
Pidge seinen Augen nicht traute.
    Tante Bina rief, daß das Essen
fertig sei und daß sie bitte gleich hereinkommen sollten.
    Pidge stand noch einen
Augenblick da und starrte seinen Vater an; dann wandte er sich ab, um
hineinzugehen.
    Er war so niedergeschlagen und
unglücklich wie noch nie und wünschte die Nacht und das Ende des seltsamsten Tages
herbei, den er je erlebt hatte. Er fühlte sich erschöpft. Seine Beine schienen
ihm bleischwer und wie leblos, er konnte sie kaum hinter sich herziehen.
    Aber Brigit war ganz sie
selbst, so als hätte sie weder an der Stute noch an Michael etwas Ungewöhnliches
bemerkt; und es war wohl nur ein Zufall, daß sie sagte:
    «Oh, fein! Ich könnte ein
ganzes Pferd verschlingen!»

 
     
     
     
     
     
    ie
Frauen im Glashaus betrachteten die Gänseblümchenketten und lachten höhnisch.
    «Was für ein Spaß», murmelte
Melody. «Wir haben schon seit Ewigkeiten nicht mehr solchen Spaß gehabt.»
    «Nicht mehr lange», sagte
Breda.
    Sie hielten ihre Handgelenke an
den Mund und begannen, an dem Metall zu lecken. Da wurden ihre Zungen rauh wie
Feilen, und das Glashaus war erfüllt von einem raspelnden Geräusch — es klang
so, als wenn Pferde auf ausgeglühter Kohle herumkauen würden.
    Als das Metall nach einer Weile
immer noch nicht nachgab, wurden sie ärgerlich.
    «Dieser Angus Og ist eine Pest,
er und seine Gänseblümchen! Ich hätte es wissen können», wütete Breda.
    «Ich denke, jetzt müssen Tränen
her», sagte Melody.
    Sie hielten die Armbänder so,
daß die Tränen darauffallen mußten, und begannen zu weinen. Säure tropfte aus
ihren Augen, doch das Metall blieb hart und wich nicht.
    Sie bekamen Zornanfälle und
hüpften im Glashaus herum, wie wild leckend und weinend, bis nach einiger Zeit
die schönen, zarten Armbänder zu Boden fielen.
    Sie wollten sich gerade auf den
Weg machen, um zu versuchen, die Kinder und den Frosch einzuholen,

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