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Die Meute der Morrigan

Die Meute der Morrigan

Titel: Die Meute der Morrigan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pat O'Shea
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stand sie, ruhig kauend, als wäre nichts gewesen.
    Als sie zu ihr hereinkamen,
wandte sie sich um und sah sie an; ihr Blick war freundlich und ihre Augen
unschuldig. Sie sah einfach aus wie ein gutartiges, braves Tier.
    Sie tätschelten und
streichelten sie; es gefiel ihr, und sie rieb den Kopf an ihnen und gab wohlige
Laute in der Pferdesprache von sich, während sie einander kennenlernten.
    Da kam Michael herunter.
    Pidge sah ihm ängstlich
entgegen, weil er fürchtete, er würde wieder so seltsam sein wie am Abend
zuvor.
    «Ah», sagte Michael, «da seid
ihr ja endlich! Sie ist wunderschön, findet ihr nicht?»
    Das sagte er voller Stolz; doch
jetzt war er wieder ganz er selbst und nicht mehr der abweisende und kühle
Fremde, der er am vorigen Abend gewesen zu sein schien.
    Er erinnert sich gar nicht mehr
an gestern, dachte Pidge, und er war sehr glücklich darüber, aber er fragte
sich im stillen, was wohl mit Sally sei.
    «Ja, wirklich», antwortete er.
    «Gut genug für einen König»,
sagte Brigit.
    «Wenn nur Sally wieder da wäre,
dann wäre ich der glücklichste Mensch auf der Welt. Ich vermisse sie ganz
unbeschreiblich. Wenn ich nur wüßte, was in sie gefahren ist — einfach so
wegzulaufen», sagte Michael leise.
    «Meinst du, sie findet
vielleicht wieder hierher zurück?» fragte Pidge.
    «So was hört man oft», sagte
Brigit. «Das machen sie immer — irgendwo abhauen, nur um zu zeigen, daß sie den
Heimweg allein finden. Das hab’ ich schon öfter gehört.»
    «Darauf können wir uns nicht
verlassen. Vielleicht sehen wir sie nie mehr wieder», sagte Pidge.
    «Ich werde alle Zeitungen in
Dublin anrufen, um eine Verlustanzeige aufzugeben, und ich werde eine Belohnung
ausschreiben für den, der sie mir heil zurückbringt.»
    «Ja, gut!» Pidge lächelte.
    «Ich werde die Stute heute im
Stall lassen, damit sie sich eingewöhnt Sie kann den ganzen Platz für sich haben.
Ihr beide könntet zum Fouracre und zum Thornfield hinuntergehen und nachsehen,
ob bei den anderen alles in Ordnung ist. Ich werde inzwischen die Zeitungen
anrufen; wenn ich das erledigt habe, ist mir sicher wohler.»
    All die anderen Stuten und
jungen Pferde waren auf der Sommerweide.
    «Ich hätte gestern abend, nach
dieser Hitze, selbst hinuntergehen sollen, um nach ihnen zu sehen. Ich verstehe
gar nicht, wie ich das vergessen konnte», fuhr Michael fort und hatte offenbar
Mühe, sich genau an den vergangenen Abend zu erinnern.
    Man sah ihm an, daß er
überhaupt nicht mehr wußte, wie seltsam er sich verhalten hatte.
    Jetzt war alles wieder gut.
    Pidge wußte, daß im Lauf des
Tages die Nachbarn interessiert vorbeikommen würden, um die Stute zu
begutachten und klug und bedeutungsvoll den Kopf zu wiegen, wenn sie ihre guten
Eigenschaften bewunderten, und ein andermal hätte er es schade gefunden, all
diese klugen Reden zu verpassen. Jetzt aber war er froh über die Gelegenheit,
mit Brigit wegzukommen und mit ihr allein zu sein, damit er endlich etwas über
ihren Traum erfahren konnte.
    Sie hatten den Hof auf dem Weg,
der zwischen dem Kuhstall und dem Torfschuppen hindurchführte, schon verlassen,
da fiel Pidge plötzlich etwas ein.
    «Hast du deine Brosche
angesteckt?» fragte er.
    Brigit öffnete ihre Wolljacke;
die Brosche steckte an ihrem Kleid.
    «Und wo sind deine anderen
Sachen?»
    «Unter meinem Bett versteckt»,
sagte sie.
    «Wart einen Augenblick hier;
ich bin gleich wieder da», sagte er zu ihr und rannte zum Haus zurück.
    Die Küche war leer; die
Buttermaschine stand da, mit kochendem Wasser gereinigt und bereit, gefüllt zu
werden. Er konnte Tante Bina in der Milchkammer vor sich hinsummen hören,
während sie den Rahm aus den großen Milchkannen abschöpfte. Das war gut, denn
so mußte er keine Fragen beantworten.
    Er lief die Treppe zu seinem
Zimmer hinauf, holte die Glaskugel und das Säckchen Nüsse und steckte sie in
seine Taschen. Dann ging er in Brigits Zimmer und steckte ihre Tauschbonbons
und ihre Flöte in ihre Schultasche und machte die Schnalle zu. Als er das
erledigt hatte, kehrte er in die Küche zurück, froh, sie immer noch leer zu
finden, und ging wieder auf den Hof hinaus.
    Die Stute stand in ihrer Box
und sah über die halbhohe Tür hinaus in einen kleinen Teil ihrer neuen Welt;
sein Vater war also schon zur Telefonzelle gegangen, um bei den Zeitungen
anzurufen. Das bedeutete, daß niemand ihn fragen würde: «Was hast du denn da?»
oder: «Woher hast du diese Sachen?», und er hatte nicht die

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