Die Meute der Morrigan
hatte
gerade aufgeglänzt und war umgefallen. Die Mórrígan streckte den Arm aus und
hob ihn auf. Es folgten einige spöttische Bemerkungen darüber, daß Früchte
anscheinend doch nicht eine so große Versuchung seien, wie manche Leute
behaupteten.
Zufrieden lächelnd hängte die
Mórrígan den kleinen goldenen Baum wieder an ihr Armband. Mit ihrem Stab gab
sie der kleinen Gestalt, die Findeweg war, einen Schubs in die richtige
Richtung. Er jaulte auf und rief den Teil der Meute zusammen, der gerade in der
Nähe nach Fährten suchte.
«Mogeln wir?» fragte Melody
Mondlicht und lächelte entzückt «Ich schicke Grimmy.» Sie trieb eine zweite
kleine Gestalt an, und der Hund rief seinerseits die Gefährten zusammen. Sie
schickte ihn in die richtige Richtung.
«Ich setze auf Graumaul», sagte
Breda Ekelschön, und sie gab einer dritten winzigen Figur einen festen Hieb mit
ihrem Stab auf den Kopf und drehte ihn ein paarmal im Kreis, bis auch er,
obwohl ganz schwindlig im Kopf, in die richtige Richtung schaute. Er rief seine
Arbeitskollegen mit einem schwachen Bellen herbei. Die drei Hundegruppen kamen
bald zusammen und rannten, angeführt von Findeweg, der Spur nach, die ihnen
gewiesen wurde.
Melody Mondlicht reichte die
Zigarren herum. Breda lehnte ab und stopfte sich statt dessen einen halben
Priem Tabak in den Mund und kaute darauf herum. Die Mórrígan nahm eine Zigarre
UIK’ betrachtete sie eingehend. Nachdem sie eine Weile an ihr gerochen und sie
begutachtet hatte, öffnete sie den Mund und aß sie.
«Süß», sagte sie anerkennend.
Breda Ekelschön, der es
langweilig wurde, die Landschaft auf dem Tisch zu betrachten, gähnte und ließ
ein leichtes Stirnrunzeln zwischen ihren Brauen erscheinen.
«Es ermüdet ein wenig, den
nächsten Zug abzuwarten», bemerkte sie und begann, um sich die Zeit zu
vertreiben, ein Buch eines großen russischen Genies mit Namen Tolstoi zu lesen.
Das Buch hieß «Krieg und Frieden». Beim Lesen kaute sie genüßlich auf ihrem
Priem herum und spuckte von Zeit zu Zeit aus.
Auch Melody Mondlicht gähnte.
Sie entfernte sich vom Tisch und legte eine Tanzplatte auf den Plattenteller
eines alten Kurbelgrammophons. Mit ihrem Schatten als Partner legte sie ein
paar tolle Nummern aufs Parkett, bis der Schatten sich schnaufend zum Ausruhen
hinsetzen mußte. Sie erlaubte ihm, sich mit dem Schatten eines
Rhabarberblattes, den er vom Boden pflückte, Luft zuzufächeln, bevor sie ihn
herausforderte, sich mit ihr im Boxen zu messen. Sie gewann die ganze Zeit mit
tollen K.-o.-Schlägen.
Breda klappte ihr Buch zu.
«Zuviel Frieden; nicht genug
Krieg», klagte sie mit kritischer Kennermiene und warf das Buch aus dem Fenster
des Glashauses.
«Ich glaube, ich hätte Lust,
eine neue Art Ratte zu erfinden», fügte sie hinzu und setzte sich in Hut und Talar,
auf der Nase eine dicke Hornbrille, an eine kleine Laborbank und brachte
allerlei in bauchigen Glasflaschen zum Sieden; dabei studierte sie ein Lehrbuch
der Biologie und eines über Höhere Chemie für ihren Bakkalaureus in
Naturwissenschaften, denn auch Götter müssen das verwenden, was schon vorhanden
ist im Universum, vor allem heutzutage.
Die Mórrígan selbst rekelte
sich wie eine fette Schlange in der Sonne.
«Bald, nur allzu bald werden
sie wieder von mir hören», sagte sie und beobachtete die Tischplatte unter den
trägen, halbgeschlossenen Vorhängen ihrer Lider hervor.
Melody Mondlichts Schatten lag
flach auf dem Boden und war völlig erschöpft
«Steh auf und kämpfe, du
Schweinehund», stieß Melody in einem plötzlichen Wutanfall hervor, «sonst
schick’ ich dich hinter den Mond.»
Und der Schatten erhob sich und
versuchte zu kämpfen. Er kroch und krümmte sich und tat, was sie verlangte,
denn er wußte, daß die andere Seite des Mondes ihm den Tod bringen würde. — Ein
Schatten braucht Licht zum Leben.
Die Hunde rannten unglaublich
schnell. Sie hatten schon ein gutes Stück zurückgelegt, als ein kleines Rudel
Wild aus dem Wald hervorbrach und nicht weit vor ihnen das freie Feld
überquerte. Die Hunde jagten sie nicht sofort, wie natürliche Hunde das getan
hätten, sondern rasten auf dem geraden Weg der Pflicht dahin, ohne sich
ablenken zu lassen. Sie hatten sogar schon die unsichtbare Linie auf der Erde
passiert, wo die frische und verlockende Fährte des Wilds gelegen haben mußte.
Aber dann brach einer der Hunde
aus dem Rudel aus und verfolgte das Wild.
Dieser Verstoß gegen die
Disziplin war zuviel für
Weitere Kostenlose Bücher