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Die Mglichkeit einer Insel

Die Mglichkeit einer Insel

Titel: Die Mglichkeit einer Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Houellebecq
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wirklich Sorgen, der Prophet hat Vertrauen in mich …«, fuhr er fort. »Aber unser Image in den Medien ist katastrophal. Man betrachtet uns als Spinner, dabei ist kein Labor auf der Welt zur Zeit imstande, Ergebnisse zu erzielen, die mit unseren vergleichbar wären …« Er machte eine ausladende Handbewegung, als könnten alle Gegenstände im Raum, die englischsprachigen Biochemiewerke von Elzevier Publications, die über seinem Arbeitstisch aufgereihten DVDs mit gespeicherten Daten und der Bildschirm des eingeschalteten Computers bezeugen, wie seriös seine Forschungsarbeit war. »Ich habe dadurch, daß ich hierher gekommen bin, meine Karriere geopfert, ich habe jetzt keinen Zugang mehr zu den maßgeblichen Publikationen …« Die Gesellschaft ist ein vielschichtiges Gebilde wie ein Blätterteig, und ich hatte nie Wissenschaftler in meine Sketche eingeführt, weil sie meiner Ansicht nach innerhalb dieses Blätterteigs eine spezifische Schicht bildeten, deren Ehrgeiz und Wertesystem sich nicht mit normalen Menschen vergleichen ließen, kurz gesagt, sie waren kein Thema für ein breites Publikum, dennoch hörte ich ihm zu, wie ich aus alter Gewohnheit allen Leuten zuhörte — ich war so etwas wie ein alter Spion der Menschheit, ein Spion im Ruhestand, aber die Sache klappte durchaus, die alten Reflexe funktionierten noch, ich glaube sogar, daß ich mit dem Kopf nickte, um ihn anzuspornen weiterzusprechen, aber ich hörte ihm zu, ohne wirklich etwas zu hören, seine Worte prägten sich mir nicht ein, ich hatte unwillkürlich so etwas wie einen Filter aktiviert; dabei war mir völlig klar, daß Miskiewicz ein bedeutender Mann war, vielleicht sogar einer der bedeutendsten Männer der Menschheitsgeschichte, er würde ihr Schicksal biologisch von Grund auf ändern, besaß das Know-how und die Technik dazu; aber vielleicht interessierte ich mich nicht mehr genug für die Menschheitsgeschichte, auch ich war alt und müde, und in dem Augenblick, als er mir gegenüber die Präzision seiner Versuchsprotokolle und die strenge Logik hervorhob, mit der er seine kontrafaktischen Thesen ausarbeitete und testete, bekam ich plötzlich große Lust auf Esther und ihre schöne, geschmeidige Scheide. Ich dachte daran zurück, wie ihre Scheidenmuskeln mit sanftem Druck meinen Schwanz umschlossen, und sagte dem Professor, ich sei müde; und kaum hatte ich seine Höhle verlassen, wählte ich ihre Handynummer, aber sie meldete sich nicht, ich mußte mich mit dem Anrufbeantworter begnügen, und ich hatte keine rechte Lust, mir einen runterzuholen, die Produktion der Samenfäden ging in meinem Alter langsamer vor sich, die Latenzzeit verlängerte sich, die Gelegenheiten, die mir das Leben bot, würden immer seltener werden, ehe sie ganz verschwanden. Selbstverständlich war ich für die Unsterblichkeit, und selbstverständlich waren die Arbeiten von Miskiewicz ein Hoffnungsschimmer, sogar die einzige Hoffnung, aber für mich und auch für alle anderen aus meiner Generation war es dafür zu spät, in dieser Hinsicht machte ich mir keine Illusionen, der Optimismus, mit dem er einen baldigen Erfolg versprach, war vermutlich nicht einmal eine Lüge, sondern eine notwendige Fiktion, die er nicht nur für die Elohimiten, die seine Projekte finanzierten, aufrechterhielt, sondern auch für sich selbst. Denn kein menschliches Projekt ist je ohne die Hoffnung entwickelt worden, es in einem angemessenen Zeitraum zu realisieren, genauer gesagt in einem Zeitraum, dessen maximale Länge der zu erwartenden Lebensdauer des Projektplaners entspricht, und noch nie hatte die Menschheit einen Teamgeist entwickelt, der die kommenden Generationen mit einbezog, dabei ist das genau die Art, auf die sich die Dinge letztlich abspielen: Man arbeitet, man stirbt, und die zukünftigen Generationen profitieren davon, es sei denn, sie ziehen es vor, das Werk, das man geschaffen hat, zu zerstören, aber keiner von denen, die sich irgendeinem Projekt gewidmet haben, hat je diesen Gedanken formuliert, sie alle haben es vorgezogen, ihn zu ignorieren, denn sonst hätten sie ganz einfach die Hände in den Schoß gelegt und auf den Tod gewartet. Und daher war der Professor, wie modern auch immer er eingestellt sein mochte, in meinen Augen noch ein Romantiker, sein Leben wurde noch von uralten Illusionen geleitet, und jetzt fragte ich mich, was Esther wohl machte, ob ihre geschmeidige kleine Scheide andere Schwänze in sich aufnahm, und ich hatte allmählich ernsthaft Lust, mir

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