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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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mein Weib, eine Abendspeise zubereitet haben. Ich würde mich freuen, wenn Ihr uns die Ehre gebt.«
    Der kleine Gelehrte grinste. »Mit Vergnügen! Ich bin als dankbarer Esser bekannt!«
    »
Sì, sì
, Pullmann, ich auch, ich gewisslich auch.«
    Alb lachte gurgelnd und betrachtete interessiert das Ruderboot des Fährmanns.
    Vitus sagte. »Dann ist ja alles klar. Richte deiner Frau Grüße aus, wir würden nachher sehr gerne kommen. Aber sie soll kein großes Aufhebens machen. Wir sind nicht verwöhnt.«
     
    Natürlich hatte Carla, eine mütterliche Frau von matronenhafter Gestalt, besonders viel Aufhebens gemacht. Der Tisch, an dem die Sippe Giovannis zusammen mit Vitus und den Seinen saß, war riesig und bog sich unter der Last der Speisen. Doch war bemerkenswerterweise kaum Fleisch darunter, lediglich eine große Schüssel mit Hühnerpastete, die von Oliven durchspickt war. Den stolzen Rest bildeten ausschließlich Gemüsegerichte. Vitus staunte über die Vielfalt, mit der man Bohnen, Erbsen, Pastinaken, Gurken, Kohl, Kürbisse und Karotten zubereiten konnte. Er machte der Hausfrau ein Kompliment, und diese errötete sanft.
    »Ich danke Euch, Cirurgicus, es geschieht nicht häufig, dass meine Männer mich loben.«
    Giovanni winkte ab. »Ach was, Weib, wenn wir die Speisen so loben würden, wie es ihrer Güte zukommt, käme niemand von uns mehr zum Essen, stimmt’s, ihr Burschen?«
    Alle lachten, und Carla setzte sich, nach einer energischen Aufforderung ihres Mannes, ebenfalls an den Tisch. »Wisst Ihr, Cirurgicus«, sagte sie, »manchmal wünsche ich mir, nicht nur Söhne zu haben, sondern auch ein paar Töchter, dann hätte ich ab und zu Hilfe am Herd.«
    Vitus legte den Löffel, mit dem er gerade die Hühnerpastete gekostet hatte, beiseite. »Dass du keine Töchter, sondern nur Söhne geboren hast, will mir sehr ungewöhnlich erscheinen. Oder liegt die Schuld etwa bei der P …«, er brach ab. Es ging ihn schließlich nichts an, warum seine Gastgeberin keine Töchter hatte, und die Pest, die alle seine Gedanken beherrschte, musste beim Essen nicht unbedingt erwähnt werden.
    Carla schob die Schüssel mit der Pastete näher an Vitus heran. »Nein, nein, Cirurgicus, die Pest hat mir keines meiner Kinder geraubt. Es ist ganz einfach so, dass Gott der Allmächtige mich nur mit Söhnen gesegnet hat.« Sie schlug das Kreuz. »Als Arzt wird es Euch interessieren, dass wir auf Sant’Erasmo vor drei Jahren, als die Geißel Venedig heimsuchte, keinen einzigen Todesfall zu beklagen hatten. Vielleicht, weil wir hier sehr abgeschieden leben.«
    Vitus war nachdenklich geworden. »Verzeih, ich wollte dem Gespräch keine ernste Wendung geben. Doch sicher irrst du, wenn du sagst, niemand auf der Insel sei an der Geißel gestorben. Das kann nicht sein.«
    »Und doch ist es so, Cirurgicus. Keiner hat damals inniger zur Jungfrau Maria gebetet als meine Nachbarinnen und ich. Wir versammelten uns regelmäßig in der kleinen Holzkapelle und erflehten Schutz und Segen für Sant’Erasmo. Wir Frauen sind sicher: Nur deshalb sparte der schwarze Tod unsere schöne Insel aus.«
    »Ach was.« Giovanni unterdrückte einen Rülpser. »Auf den anderen Inseln haben die Frauen genauso gebetet, ob es nun auf Vignole, Burano, Murano oder sonstwo war. Meiner Meinung nach lag es nur daran, dass wir so gut wie keine Ratten hier haben. Jedes Kind weiß doch: Wo sie sind, ist auch die Pest. Wenn es gelänge, alle Ratten auf der Welt zu erschlagen, hätte man die Geißel gleich mitgetötet.«
    »Was du nicht sagst!« Vitus hatte fasziniert den Worten des Hausherrn gelauscht. »Weißt du denn auch, was Ratten an sich haben, dass ihr Auftreten stets mit der Pest einhergeht?«
    »Nein, das weiß ich nicht. Leider. Soviel mir bekannt ist, sind sie sehr saubere Tiere. Sie leben zwar häufig in Müll und Dreck und fauligen Gewässern, dennoch putzen sie sich häufig. Vielleicht ist es ihr Atem, dem der Pesthauch entströmt.«
    »Das ist nicht auszuschließen.« Vitus wischte sich den Mund und lehnte sich zurück. Er hatte viel mehr gegessen als beabsichtigt. »Nun, ich denke, es ist Zeit, dir und deiner Frau für das vorzügliche Mahl zu danken, selten habe ich so viel Köstliches aus Gemüse genossen.« Er erhob sich. »Ich wünsche dir und den Deinen eine gute Nacht. Möge der Erhabene euch angenehme Träume schenken.«
    »Dasselbe für Euch, Cirurgicus.«
    Die Freunde gingen hinaus in die sternenklare Nacht. Im silbrigen Licht der Mondsichel war in

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