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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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prächtig wachsen. Wenn es reif ist, fahren wir es zum Markt, wo es gekauft, anschließend gegessen, verdaut und wieder … nun ja, Ihr wisst schon, was ich meine. Ein Kreislauf in unserer Lagune, der seit Hunderten von Jahren stattfindet.«
    Vitus nickte. Er wusste, in diesem Augenblick fühlten seine Gefährten sich an dasselbe erinnert wie er: an ihre Zeit auf der Galeere von Mehmet Pascha. Gerade jetzt hätte er viel für eine Parfümkugel gegeben, wie sie am Hofe der jungfräulichen Königin Elisabeth I. gebräuchlich waren, doch England und London schienen so weit entfernt, als lägen sie auf dem Mond.
    »Ich soll Euch außerdem noch einen herzlichen Gruß von Messer Montella ausrichten, Cirurgicus. Ich habe ihn zufällig vor dem Palazzo Ducale getroffen. Er sagte, er habe einen der berühmtesten Pestärzte Venedigs getroffen und ihm von Euch berichtet. Sein Name ist Dottore Maurizio Sangio. Er freut sich darauf, Euch kennen zu lernen.«
    »Was? Welch eine angenehme Überraschung!«, erwiderte Vitus strahlend. »Dass Montella daran gedacht hat, ein Treffen mit einem Pestarzt vorzubereiten, ist wirklich umsichtig. Dabei hatte ich ihn gar nicht darum gebeten.«
    »Das nicht«, entgegnete der Magister, der sich bemühte, des Gestanks wegen möglichst flach zu atmen, »aber unser Freund musste auch kein großer Hellseher sein, um zu wissen, wie sehr du eine solche Zusammenkunft begrüßen würdest.«
    »Sì, sì, wui, wui, ihr Gacken!« Enano sprang von Albs Schultern. Er hatte aus luftiger Höhe die Ankunft der Boote verfolgt. »Auf, auf, zum Grandigen Canale!«
    Vitus winkte ab. »So weit ist es noch nicht, Enano. Vor Sonnabend rechne ich nicht mit der Rückkehr von Montella. Du wirst dich noch ein wenig gedulden müssen.
La Serenissima
läuft dir nicht fort.«
    »Wui! Sì! Ja! Nich fort, nich fort!« Der Zwerg wollte wieder auf die starken Schultern von Alb klettern, doch der war nicht mehr da. Er hatte sich entfernt, um Giovanni und seinen Männern beim Ausbringen der Gülle zu helfen. »Wiewo? Was soll’s. Wann gibt’s denn wieder Pickerei? Hab knurrig Frost im Magen!«
    Doch bis zum Abendessen sollte es noch eine ganze Weile dauern, und die Freunde vertrieben sich die Zeit, indem sie einen weiteren Spaziergang über die Insel machten.
    Am folgenden Tag taten sie das Gleiche und am übernächsten auch, und allmählich empfanden sie das beschauliche Inselleben als eine Spur zu beschaulich. Schlicht gesagt: Sie begannen sich zu langweilen. Nur Alb schien es nicht so zu ergehen, denn er hatte sich angewöhnt, Giovanni auf dessen Fahrten zu begleiten. Seine Hilfe war hochwillkommen, denn natürlich verstand er es, erstklassig und ausdauernd zu rudern. Vitus, der Magister und der Zwerg dagegen waren heilfroh, als sich am Sonnabendmittag tatsächlich ein schwerer Lastkahn der Insel näherte. Die Sant’Erasmini reckten fast ohne Ausnahme die Hälse, denn es kam nicht häufig vor, dass ein so großes Schiff am Anleger festmachte.
    Kaum war der Kahn sicher vertäut, sprang mit einem ungeschickten Satz Montella an Land. Er trug auch heute wieder eine Schaube, die für das Wetter zu warm war, doch immerhin passte das tiefe Blau des Brokatstoffes hervorragend zur Farbe des wolkenlosen Himmels. »Ich habe gute Kunde!«, keuchte er vergnügt, breitete die Arme aus und riss sich das Barett vom Kopf. »Gute Kunde, Freunde! Ich habe die Pantoffeln an den Mann gebracht, allesamt, bis auf ein Dutzend Stück! Lasst euch umarmen!«
    Er stülpte sich die Kopfbedeckung wieder über, watschelte auf Vitus zu und drückte ihn an seine Brust. Während er ihm mit dem Gleichmaß einer Maschine auf den Rücken klopfte, gab er in Kurzform die Geschichte seines Verkaufserfolgs zum Besten: Es war ihm gelungen, den Haushofmeister eines Wesirs aus Konstantinopel kennen zu lernen. Dieser Mann, der über eine Dienerschaft gebot, die nach Hunderten zählte, hatte sich vom ersten Augenblick an begeistert gezeigt von der Farbe und der Geschmeidigkeit des arabischen Schuhwerks. Er hatte es höchstselbst übergestreift, war ein paar Schritte hin und her gegangen, hatte dabei von seinen Untergebenen überschwängliches Lob geerntet, unter anderem dafür, wie gut ihm die Pantoffeln stünden, wie herrlich das Gelb zu seinen lilaseidenen Pluderhosen passe, wie vornehm seine Füße darin wirkten und so weiter und so weiter … und schließlich im Bausch und Bogen alle Paare gekauft.
    »Ich bin der erfolgreichste Kaufmann von Chioggia und ganz

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