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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Venetien!«, jubelte Montella, der noch immer Vitus’ Rücken bearbeitete. Sein Opfer befreite sich mühsam. Die Wiedersehensfreude des dicken Händlers wirkte so überwältigend, als sei er nicht nur eine Woche, sondern ein ganzes Jahr fort gewesen.
    »Das muss gefeiert werden, Cirurgicus!«, röhrte Montella. »
Amico mio,
Ihr habt einem Vasen- und Weinhändler Glück gebracht. Lasst uns essen, ich sterbe vor Hunger. Carla soll aufbieten, was Küche und Vorratskammern hergeben!«
    Doch es dauerte noch eine geraume Weile, bis Montella und seine Gäste der Speise zusprechen konnten, denn Giovannis Weib hatte es zur Feier des Tages besonders gut machen wollen und deshalb besonders viel Zeit gebraucht. »Nun, Cirurgicus«, fragte der dicke Händler, endlich mit vollen Backen kauend, »hat Giovanni Euch von Dottore Sangio, dem berühmten Pestarzt, erzählt?«
    Der Fährmann fuhr dazwischen: »Aber natürlich, Messer Montella, natürlich! Wie hätte ich das vergessen können!«
    »Schon gut, schon gut, mein lieber Giovanni«, beschwichtigte der Dicke. »Es war ja nur eine Frage. Ich wollte dir keineswegs zu nahe treten. Wisst Ihr, Cirurgicus«, wandte er sich erneut an Vitus, »ich habe gedacht, das Gespräch zwischen Dottore Sangio und Euch könnte übermorgen, am Montag, stattfinden. Der Dottore wohnt ganz in der Nähe des Markusplatzes, nur wenige Schritte von meinem Kontor entfernt. Ihr könntet dort mit euren Freunden schlafen. Es ist zwar nicht komfortabler als hier, besonders, wenn man bedenkt, wie gern einen nachts die Mücken von den Kanälen abschlachten, aber immerhin, für ein paar Tage dürfte es gehen.«
    »Ich bin Euch sehr verbunden, Signore«, antwortete Vitus, dem die große Hilfsbereitschaft des Wein- und Vasenhändlers schon fast ein wenig peinlich war. »Hoffentlich kann ich Eure Großzügigkeit jemals wieder gutmachen. Ich versichere Euch, wir werden so bald wie möglich nach Padua weiterziehen. Selbstverständlich bleibt es bei der Sicherheit, die Ihr bei der Ausstellung des Schuldscheins verlangt habt.«
    »Sicherheit, Sicherheit?« Für den Bruchteil eines Augenblicks schien Montellas Kaufmannshirn einen Aussetzer zu haben, doch dann fiel es ihm wieder ein: »Ach so, Ihr sprecht vom stummen Alb. Nun, ich habe mir überlegt« – er hörte kurz auf zu kauen –, »nun also, es zeugt vielleicht nicht gerade von geschicktem Handelsgebaren, aber ich habe mir gedacht, ich könnte auf die Sicherheit wohl verzichten. Nicht zuletzt, weil ich mir erlaubt habe, ein paar Erkundigungen beim hiesigen Gesandten Ihrer Majestät Königin Elisabeth, der ein langes, erfülltes Leben beschieden sein möge, äh, einzuholen, und daher weiß ich, Cirurgicus, dass Ihr der letzte Spross der edlen Collincourts seid, jedenfalls drückte Sir Allan McTrumbull es so aus, auch wenn da noch einiges Gezänk um Euer Erbe anzustehen scheint. Nun ja, das ist überall auf der Welt so. Was ich sagen will, ist, mir genügt die Sicherheit, dass Ihr über ein Schloss und große Ländereien gebietet, vollkommen.«
    »Donnerwetter!«, lächelte Vitus. »Ihr seid die Umsicht in Person, Signore. Aber mittlerweile hat sich ergeben, dass Alb völlig freiwillig hier bleiben möchte. Er liebt die Insel und die Arbeit der Gemüsefahrer, außerdem könnte er die Nachfolge Eures verstorbenen Lagermeisters antreten.«
    Zu Vitus’ Worten gurgelte Alb heftig, und seine Lippen arbeiteten. Seine Miene war eine einzige Bitte: Lasst mich auf der Insel, lasst mich doch auf der Insel!
    Montella stutzte. »Höre ich recht? Alb, der Stumme, möchte hier bleiben? Das ist ja, äh,
meraviglioso!
Das ist
fantastico, magnifico!
Natürlich bin ich damit einverstanden! Heute ist wirklich ein Glückstag! Ich habe meine Pantoffeln verkauft, ich habe einen neuen Lagermeister, und ich habe eine Sicherheit für den Schuldschein, äh, die ich natürlich nicht brauche, Cirurgicus. Aber trotzdem. Carla! Sei so gut, und bring uns noch mehr von dem Roten!«
    Anschließend saßen sie noch lange beisammen, und erst im Morgengrauen, zu einer Zeit, da Giovanni normalerweise schon seinen Kahn Richtung Venedig steuerte, gingen sie zur Ruhe. Aber an diesem Tag war Sonntag, der Tag des Herrn. Und sie nahmen sich vor, zusammen in der kleinen Holzkapelle zu beten und Gott zu danken.
    Dafür, dass sich alles so gut gefügt hatte.

[home]
    Der Pestarzt Doktor Sangio
    »Das ist meine Unterkleidung, gut ansitzend,
um die Schweißlöcher in der Haut, durch die verderbliche
Miasmen

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