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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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allein«, sagte er und glaubte selbst nicht recht an seine Worte. Während er zu ihr sprach, bereitete er die Arznei vor. Er mischte die drei Bestandteile mit einem Spatel, zerdrückte sie, mischte sie und hatte am Ende einen weißlich grünen Stoff hergestellt. »Jetzt fehlt nur noch der Magister mit dem heißen Wasser«, sagte er.
    »Der Magister mit dem heißen Wasser ist da«, sagte in diesem Moment der kleine Gelehrte und stellte einen großen Topf auf den Boden. »Hat eine halbe Ewigkeit gedauert mit dem Erhitzen, aber du weißt ja selbst, wie es ist: Immer wenn es schnell gehen soll …«
    »Danke. Gut, dass du da bist, altes Unkraut.« Erleichtert nahm Vitus ein kleines Albarello, füllte es mit heißem Wasser und zerrührte die Arznei darin. Er war sich nicht sicher, wie schmerzlindernd und betäubend der Trank sein würde, denn er hatte die drei Wirkstoffe noch nie miteinander in Kombination gebracht, aber darauf konnten jetzt keine Gedanken verschwendet werden. Im Zweifelsfall würde er etwas weniger verabreichen.
    Wieder erfasste eine Wehe den gemarterten Körper. Antonella schrie auf, so markerschütternd, dass der Zwerg einen Wimpernschlag später im Zelteingang stand. Sein Fischmündchen zitterte: »Wiewo? Wie strömt es ihr? Is was passiert?«
    »Nein, Zwerg, alles normal. Keine Sorge. Was macht das Feuer? Lodert es wieder?«
    »Wui, bin noch nich fertich, aber’s meiste brändelt wieder recht knäbbig.«
    »Dann mach deine Arbeit zu Ende. Wir kommen hier schon zurecht.«
    Widerstrebend verschwand der Winzling.
    Antonella befolgte Vitus’ Rat und atmete tief und ruhig, hielt dann die Luft an und presste. Danach schöpfte sie mehrmals hastig Luft, um sich von der Anstrengung zu erholen. Während der Magister ihr den Kopf hielt und die Stirn kühlte, hängte Vitus die Laternen ins Zeltdach und kniete sich zwischen ihre Beine. Für einen Augenblick war ihr Schamgefühl größer als ihr Schmerz, und sie wollte die Schenkel schließen, doch Vitus drückte sie wieder auseinander. »Ich bin Arzt«, sagte er nur.
    Er beugte sich vor, um zu sehen, wie weit der Geburtsvorgang fortgeschritten war. Die Scheide klaffte bereits weit auseinander, in der Mitte der Öffnung schienen ein paar winzige Härchen aufgetaucht zu sein. Der Schopf des Säuglings? Ja, das musste er sein! Vitus fiel ein Stein vom Herzen. »Dein Kind liegt normal, du brauchst nichts zu befürchten. Ich kann das Köpfchen schon sehen«, rief er.
    Seine Worte schienen Antonella neue Kraft zu geben, denn sie verstärkte ihre Bemühungen. Aus einatmen, ausatmen, einatmen und pressen ergab sich ein neuer Gleichklang, der dazu führte, dass die Härchen des Säuglings für den Bruchteil eines Zolls weiter hervorstanden.
    »Ich glaube, es kommt!«, rief er.
    Doch er hatte sich getäuscht. Antonella hatte das Pressen eingestellt und brauchte Zeit, um wieder Luft zu holen. Sie atmete hechelnd. Das Köpfchen rutschte zurück.
    »Wie steht es mit den Schmerzen? Soll ich dir jetzt die Arznei geben?«
    Antonella schüttelte wild den Kopf. Das Scheitholz flog dabei hin und her.
    Welch eine Frau!, dachte Vitus. Ob alle Gebärenden so leiden müssen? Abermals bedauerte er, so wenig über Geburtshilfe zu wissen. Aber woher hätte er seine Erfahrungen auch nehmen sollen? Auf Campodios, wo er herangewachsen war, gab es nur Mönche, und diese pflegten keine Kinder zu kriegen.
    »Aaaaaoohhaaa!« Jetzt schrie Antonella vor Schmerz und Verzweiflung, und abermals presste sie mit aller Kraft.
    Vitus sah die Löckchen wieder vorkommen. »Ja!«, hörte er sich jetzt rufen. »Ja, ja, ja! Komm weiter, komm weiter, gleich ist es da!«
    Noch ein Stückchen mehr lugte das Köpfchen heraus. Vitus fasste darunter, und plötzlich, mit einem Schwall aus Blut und Schleim und Wasser, kam ihm das Kind entgegen. Er fing es auf und wusste nicht, wie ihm geschah.
    »Ein Mädchen!«, rief der Magister. »Wenn mich nicht alles täuscht.«
    »Ja, es ist ein Mädchen«, sagte Vitus. »Ein kleines Wunder. Ein kleiner Mensch.«
    »Wui, isses da? Kann ich’s auch spähen?« Der Zwerg kam hereingehuscht. »Wui, wui, knäbbig winzlig der Streichling!« Seine Augen füllten sich mit Tränen. »Wie strömt’s mir nur? Sträuberin, wir ham’s getarrt, der Große Machöffel bensche dich!«
    Antonella nickte matt. Aber sie lächelte.
    Vitus hielt noch immer das Kind. »Komm, Enano, schneide die Nabelschnur durch, da liegt eine Schere.«
    Der Zwerg gehorchte mit angespannter Miene.
    Vitus nahm

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