Die Mission des Wanderchirurgen
zugeben. Hier, schau, der Beweis!«
Der Magister leerte den mitgebrachten Leinensack aus. Eine Fülle von Münzen und noch mehr Steine kullerten auf den Lehmboden. »Ein Rekord, wie ich in aller Bescheidenheit anmerken darf, selbst nach Abzug der Kiesel! Wenn ich gewusst hätte, wie einträglich das Geschichtenerzählen ist, hätte ich niemals Jurisprudenz studiert, geschweige denn mein Rechtswissen in La Coruña an faule Studenten verschleudert. Nun ist es zu spät. Immerhin, wir haben jetzt genug beisammen, um weiterreisen zu können. Ich denke, wir sollten Doktor Chamoucha endlich für seine ärztlichen Bemühungen entschädigen. Doktor, wie viel darf ich Euch …«
»Wollt Ihr mich beleidigen?« Der Araber war für sein Alter bemerkenswert schnell aufgesprungen. »Eine Bezahlung kommt überhaupt nicht in Frage! Es war mir ein angenehmer Freundschaftsdienst, Vitus von Campodios zu behandeln, wirklich, ein angenehmer Freundschaftsdienst. Dafür Geld zu nehmen, hieße sich vor Allah versündigen!«
Der kleine, drahtige Gelehrte war für einen Augenblick betroffen. Dann fing er sich. »Dann will ich mich bei Euch entschuldigen, Doktor, ich wollte Euch wahrhaftig nicht zu nahe treten. Vielleicht kann ich es wieder gutmachen, wartet einmal, ich habe da etwas …«
Der Magister schritt zu einem Bord, auf dem eine Wasseramphore stand, und kramte in ihr herum. Wie das klimpernde Geräusch alsbald verriet, diente sie als Münzbehältnis. »Ich habe gehört, Doktor, dass Ihr dem Sammeln alter Zahlungsmittel zugetan seid. Nun, vielleicht macht Euch dies hier eine kleine Freude.« Er übergab ein Goldstück an Chamoucha, der es sogleich neugierig in Augenschein nahm.
»Oh, offenbar ein Exponat mit dem Bildnis von … von … es ist zu klein und zu dunkel im Raum, ich vermag nicht zu erkennen, von wem!«, rief er aus. »Sicherlich ein herrliches Stück, aber ich kann es selbstverständlich nicht annehmen.«
»Das könnt Ihr selbstverständlich doch«, erwiderte der Magister grinsend, »oder wollt Ihr mich beleidigen?«
Chamoucha musste schmunzeln, ob er wollte oder nicht, der kleine Gelehrte hatte den Spieß umgedreht.
»Sie wurde gefertigt in Rom, stammt aus dem Jahre siebzehn vor Christi Geburt und zeigt den Kaiser Augustus im Profil. Auf der Rückseite findet Ihr einen Triumphbogen.« In des Magisters Worten schwang ein wenig Stolz mit, so, als hätte er die Münze selbst geprägt. »Ich weiß nicht, wer sie in Enanos eiserne Schüssel geworfen hat, aber eines steht fest: Entweder er hatte keine Ahnung, um welch eine Seltenheit es sich hier handelt, oder es war ein Versehen. Egal, wie, nehmt die Münze ruhig an.«
»Ja, nehmt sie an, ich bitte Euch«, bekräftigte Vitus.
»Wui, wui, Pulsquetscher!«
Chamoucha tat, als ergebe er sich in sein Schicksal. »So bleibt mir wohl nichts anderes übrig.« Mit kaum verhohlener Freude legte er die Kostbarkeit in ein Pillendöschen, welches wiederum in seiner Arzttasche verschwand. Dann wurde sein Blick entschlossen. »Ich muss mich jetzt leider empfehlen, ein paar Patienten warten noch auf mich. Bei der heutigen Hitze bedürfen sie meiner besonderen Zuwendung. Ich wünsche Euch, Vitus von Campodios, weiterhin gute Genesung. Es war für mich ein Gewinn, Euch kennen gelernt zu haben.« Er nickte, wie um seine Worte zu bestätigen. »Das gilt natürlich für alle drei Herren. Allah, der Kämpfende und Listige, sei mit Euch.«
Wenig später hatte Doktor Salih Chamoucha, Sohn des Mamud Chamoucha, Araber, Muselmane und Menschenfreund, die Behausung der drei Freunde verlassen.
»Puh, ich muss mich erst einmal setzen«, ächzte der Magister, »nach dem Auftritt im Souk fühle ich mich wie aus dem Wasser gezogen. Man stelle sich vor: Chamoucha macht bei der Hitze freiwillig Patientenbesuche. Welch bemerkenswerter Mann! Fast ein Überwesen. Ich dagegen fühle viel irdischer. Was gäbe ich darum, jetzt einen kühlen galizischen Tropfen zu genießen. Wird Zeit, dass wir die Stadt hinter uns lassen, Vitus. Venedig und Padua warten. Meinst du, dein Bein macht wieder mit?«
»Ja, Magister, ich denke schon. Die Bruchstelle juckt, das ist ein gutes Zeichen. Morgen reisen wir. Ich kann es kaum erwarten, mich mit den angesehensten Ärzten über die Pestilenz auszutauschen. Bin gespannt, ob sie ähnlich große Stücke auf den Ingwer als Heilpflanze halten.«
»Wui, wui, Zaster is knäbbig da«, rief der Zwerg, der mittlerweile die Geldstücke von den Steinen getrennt und in die
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