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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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nicht vor und zurück und machten lange Hälse. Einzig der Zwerg hielt sich abseits, aus Rücksicht auf sein Schäfchen.
    »Los, komm rauf auf die Bühne und lass die Hose runter!«, höhnte der Alte weiter. »Wir wollen ihn sprechen sehen. Nicht wahr, Leute, wir wollen ihn doch sprechen sehen?«
    Die Menge johlte Zustimmung.
    »Wollen wir ihn wirklich sprechen sehen?«
    Erneuter Jubel.
    Der kräftig gebaute Jüngling wurde jetzt ernstlich wütend. »Halt’s Maul, Opa, sonst komm ich wirklich hoch, und dann gnade dir Gott! Ich verpasse dir ein paar Schläge, die dich von hier bis auf den Marktplatz von Alesón befördern.«
    »Was? Du drohst mir mit den Fäusten? Hööö, ihr Leute, habt ihr das gehört? Die Rotznase will handgreiflich werden! Wie darf ich das verstehen? Heißt das etwa, deiner kann gar nicht sprechen, und, schlimmer noch, du weißt ihn auch nicht zu benutzen?«
    Wieder heulte die Menge vor Vergnügen auf. Sie fühlte sich glänzend unterhalten.
    »Bei Gott!« Mit einem einzigen Satz sprang der junge Bursche auf die Bühne und zog blank. Dem Greis die Spitze seines Degens unters Kinn haltend, keuchte er: »Wenn du den Zweikampf haben willst, Alter, bitte sehr. Aber jammere hinterher nicht um dein Leben.«
    Die Menge lachte jetzt nicht mehr. Ihre Freude schlug vielmehr in Sorge um. Rufe ertönten allseits:
    »Lass es gut sein, Abuelo.«
    »Ja, lass es gut sein. Du hast es ihm tüchtig gegeben.«
    »Überspann den Bogen nicht.«
    »Vertragt euch lieber.«
    Den Wunsch nach Harmonie wollte auch Pater Ernesto unterstützen, und er rief: »Gebt Frieden, ihr zwei Streithähne! Gott hat die Menschen nicht erschaffen, damit sie sich die Köpfe einschlagen!«
    Einigermaßen besänftigt, schickte der Jüngling sich an, vom Podest zu steigen, doch da hielten ihn die Worte des Alten zurück: »Mit dir Milchgesicht nehme ich es noch allemal auf. Selbst wenn man mir das linke Bein hochbände, würde ich dir eine Abreibung verpassen, die du dein Lebtag nicht vergisst.«
    Der Jüngling schnappte nach Luft. »Da hört ihr es selbst, Leute! Der Alte will unbedingt, dass ich ihm eine Lektion erteile. Nun gut, ich verspreche, es kurz zu machen, dann haben wir die Sache hinter uns.« Den Degen, den er schon wieder in die Scheide gestoßen hatte, abermals ziehend, stellte er sich in Fechtpositur. »Nun, wo ist deine Waffe, Alter?«
    »Nicht so schnell, nicht so schnell, Milchgesicht.«
    »Aha! Jetzt hast du wohl doch die Hosen voll?« Der Jüngling zog seine Klinge ein paarmal durch die Luft. Es zischte gefährlich. »Sag es ruhig, wenn du einen Rückzieher machen willst.«
    Der Alte straffte sich. Er war dadurch plötzlich fast genauso groß wie sein Kontrahent, dann aber fiel er wieder in sich zusammen und rief mit brüchiger Stimme: »Im Gegenteil, Milchgesicht, ich gehe jede Wette, dass ich dich bezwinge! Sollte es mir aber nicht gelingen, kriegst du einen Vierer von mir. Da du dir deiner Sache so sicher bist, wirst du mir im umgekehrten Falle gewiss das Fünfzigfache zahlen. Oder ist das zu viel verlangt?«
    »Nein, sicher nicht!«, erwiderte der Jüngling, und sein Gesichtsausdruck bekam etwas Lauerndes. »Bei Gott, ich gebe dir fünfzig Vierer, wenn du mich schlägst. Aber ich sage dir, das haben schon ganz andere versucht.«
    »Dann ist es abgemacht, hier vor allen Zuschauern!«
    Als die Geschehnisse auf dem Podest so weit gediehen waren, meinte der Magister besorgt: »Der alte Mann ist entweder verrückt oder lebensmüde. Meinst du nicht, wir sollten uns einmischen?«
    Vitus, der scharfe Augen hatte, schüttelte den Kopf. »Nein, nicht nötig. Ich habe so eine Ahnung, dass alles ganz anders ist, als es zu sein scheint. Vielleicht können wir an meinem Geburtstag unverhofft zu einem hübschen Sümmchen kommen.« Laut rief er: »He, du junger Heißsporn da oben, auch ich zahle dir einen Vierer, wenn du gewinnst. Gibst du mir ebenfalls das Fünfzigfache, wenn du verlierst?«
    Der kleine Gelehrte zischte erschreckt: »Bist du des Teufels, du Unkraut? Wir besitzen doch keinen Vierer! Wir besitzen nicht einmal mehr vier armselige Maravedis!«
    Doch da erscholl schon die Antwort des Jünglings: »Natürlich, Mann. Merk dir nur mein Gesicht, damit du mir anschließend das Geld geben kannst.«
    »Und du dir das meine!«, rief Vitus zurück, den noch immer heftig protestierenden Magister abwehrend.
    Pater Ernesto hieb in dieselbe Kerbe wie der kleine Gelehrte. Er zog zürnend die Brauen zusammen. »Wetten und Würfeln,

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