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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Cirurgicus, hier gibt es keinen Fluss.«
    Vitus lächelte. »Das stimmt. Aber wir führen Wasser mit uns. Und wir haben einen Kessel.«
    Der Magister fiel ein: »So ist es, Pater. Wir haben einen Kessel, der sich wunderbar als Taufbecken eignen würde. Leider ist er zur Zeit noch zu heiß, als dass er dem heiligen Zweck dienen könnte, aber ich denke, spätestens morgen früh ist er erkaltet.«
    Pater Ernesto gab sich geschlagen. »Es scheint, meine Söhne, als habe der Allmächtige mir diese Aufgabe zugewiesen, also will ich mich ihr nicht entziehen.«
    »Amen«, fistelte der Zwerg froh.
     
    Nach einer kurzen Nacht, die Dämmerung hatte gerade erst eingesetzt, sorgte Ernesto dafür, dass der Kessel gereinigt wurde, bevor er mit dem Ritus begann. Der Säugling stieß dazu giggelnde Laute aus, was aber der Feierlichkeit des Augenblicks keinen Abbruch tat. »Du Kind eines Mannes und eines Weibes«, hob er mit klarer Stimme an, »Tochter des Enano … äh?«
    Er musste unterbrechen, denn er kannte den weiteren Namen des Zwergs nicht.
    »… von Askunesien«, half Vitus aus.
    »Tochter des Enano von Askunesien«, setzte der Pater seine Rede fort, »ich erflehe für dich den Segen des Herrn, unseres mächtigen Schöpfers, denn wie heißt es in Seinem heiligen Buch?
Der unschuldige Hände hat und reinen Herzens ist, der nicht Lust hat zu loser Lehre und schwöret nicht fälschlich, der wird den Segen des Herrn empfangen und Gerechtigkeit von dem Gott seines Heils …«
    Es folgte eine ausgedehnte Fürbitte, die hin und wieder von einem Gluckser des Täuflings unterbrochen wurde. Danach setzte Ernesto zu einem Gebet an, in dem er auf die Fährnisse des Lebens und die Abgründe des Teufels verwies, pries die Kraft des Allmächtigen, in dessen guter Hut niemand um sein Seelenheil zu fürchten brauche, und leitete über zum Glaubensbekenntnis: »
Ich glaube an Gott, den Vater …«
    Als auch das geschafft war, nahm Pater Ernesto dem Zwerg das kleine Bündel Mensch ab, stellte es in den Kessel, dessen Wasser er vorher geweiht hatte, und sprach feierlich: »Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes taufe ich dich auf den Namen Nella.«
    Er nahm seine Jakobsmuschel, schöpfte sie voll Wasser und übergoss das Köpfchen damit. Dieses wiederholte er noch zweimal. Dann gab er das Kind, das alles wie selbstverständlich, ja, fast fröhlich über sich hatte ergehen lassen, an den Zwerg zurück.
    Nun wandte er sich an Vitus und den Magister, die in diesem Fall die Gemeinde darstellten, und sagte: »Ich habe Nella, die Tochter des Enano von Askunesien, getauft, wie Jesus es seinen Jüngern auf dem Berg in Galiläa befahl:
    Darum gehet hin und lehret alle Völker
    und taufet sie
    im Namen des Vaters und des Sohnes
    und des Heiligen Geistes.
    Und lehret sie halten alles,
    was ich euch befohlen habe.
    Und siehe, ich bin bei euch
    alle Tage bis an der Welt Ende.«
    Ernesto schlug das Kreuz und sagte abschließend: »Ich denke, ich habe alles so gemacht, wie die Liturgie es vorschreibt. Allerdings fehlt mir eine Kirche, in deren Gemeindebuch ich die Geburt eintragen könnte. Auch der Flügel eines Altars täte es, aber beides steht mir nicht zur Verfügung. Also müsst ihr, meine Söhne, jederzeit bereit sein, vor Gott und der Welt zu bezeugen, dass dieses Kind auf den Namen Nella von Askunesien getauft wurde, und zwar am neunten März anno 1580.«
    Kaum hatte er das gesagt, blinzelte der Magister heftig, grinste bis über beide Ohren, trat auf Vitus zu und begann dessen Hand wie einen Pumpenschwengel zu bearbeiten. »Richtig! Heute ist ja der neunte März, du altes Unkraut, dein Geburtstag! Herzlichen Glückwunsch, und möge alles, was du dir vorstellst, in Erfüllung gehen!«
    Nacheinander schlossen sich die Gefährten den Worten des kleinen Gelehrten an, so dass es Vitus schon fast peinlich war. »Macht nicht so viel Aufhebens um mich«, sagte er. »Eigentlich ist es ja nicht mein Geburtstag, sondern nur der Tag, an dem der alte Abt Hardinus mich vor dem Klostertor fand.«
    »Vor nunmehr vierundzwanzig Jahren«, ergänzte der Magister. »Wie fühlt man sich, wenn man das Vierteljahrhundert fast erreicht hat?«
    Vitus lachte. »Genauso wie mit dreiundzwanzig.«
    »Weißt du noch, was wir vor einem Jahr gemacht haben?«
    »Sicher. Wir waren auf See, steuerten gen Süden in Richtung Tanger.«
    »Gütiger Himmel! Mir ist, als wäre es erst gestern gewesen. Und weißt du auch noch, wo wir uns heute vor zwei Jahren

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