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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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altes Problem gegen ein neues eingetauscht.«
    S ir Francis«, näselte Christopher Mufflin, ein pergamentgesichtiger Schreiber und Bücherwurm, »ich fürchte, dieser Hornstaple ist schon wieder da.«
    »Mir bleibt auch nichts erspart.« Sir Francis Walsingham seufzte. Er war angelegentlich damit beschäftigt, in seinem Arbeitszimmer Dokumente zu unterschreiben. Wieder und wieder setzte er kunstvoll seinen Schriftzug unter die Papiere und fügte Ort und Datum dazu:
London, 23. Juni, A. D. 1580.
    »Hat er gesagt, was er will?«
    »Nein, Sir Francis, das tat er nicht. Er hat sich nur wie üblich beschwert, dass er nicht zur Königin vorgelassen wurde und nun mit Euch, äh …«, Mufflin hüstelte dezent, »sozusagen vorlieb nehmen muss.«
    Abermals seufzte Walsingham. Er war seiner Herrscherin treu ergeben, doch manchmal verwünschte er ihre Angewohnheit, grundsätzlich alle unangenehmen Dinge auf ihn abzuschieben. »Konntet Ihr den Mann nicht fortschicken?«
    »Nein, bedaure, Sir Francis.«
    »Nun gut, ich lasse bitten.« Walsingham stand auf, denn seiner Erfahrung nach führte man unerfreuliche Gespräche am besten im Stehen. Sie fielen dann förmlicher aus. Und kürzer. Automatisch überprüfte er den Sitz seiner Kleidung, denn er war nicht uneitel. Wams, Weste und Hose saßen wie immer tadellos und zeigten ein würdiges Schwarz, ebenso wie sein Schuhwerk. Das einzig Weiße an seiner Erscheinung war die nach holländischer Mode reich gefaltete und gestärkte Halskrause. Dem Aussehen nach hätte man ihn für einen reichen Reeder oder einen hochgestellten Kleriker halten können, doch war er alles andere als das: Er war Gründer des englischen Geheimdienstes und Staatssekretär Ihrer Majestät Königin Elisabeth I.
    Er sah zur Tür, wo in diesem Moment der Advocatus auftauchte. Der Mann war Walsingham von Herzen zuwider, denn er war ein Schleimer und Wichtigtuer, schlimmer noch: Er war wie eine Klette. Nicht abzuschütteln.
    »Guten Morgen, Euer Gnaden!« Nach einer tiefen Verbeugung näherte sich Hornstaple, dabei auf einen der hohen, bequemen Polsterstühle schielend. Doch er konnte sich nicht setzen, weil sein Gegenüber ebenfalls stand, und auch, weil er nicht dazu aufgefordert wurde.
    Walsingham verzog keine Miene. Er legte keinen Wert auf die Anrede »Euer Gnaden«. Dennoch sprach Hornstaple, dieser Schleimer, ihn stets so an. Nun ja, zunächst einmal galt es dafür zu sorgen, dass ihr Gespräch unter vier Augen blieb. »Danke, Mufflin, ich brauche Euch nicht mehr.«
    Dann musterte er den Ankömmling. Der Mann hatte keinen Geschmack, das zeigte sich auch heute wieder. Zu einem viel zu kurzen braunen Umhang trug er derbe rostfarbene Beinkleider und wildlederne Stiefel. Alles war schon ein wenig glänzend und abgeschabt. So erfolgreich, wie er immer tat, war der Advocatus wohl doch nicht.
    Walsinghams Blick wanderte weiter, hinaus durch eines der hohen Fenster. Der Tag war grau, Wolken drückten auf die Häuser Londons und auf die Stimmung seiner Bürger. »Ob dieser Morgen gut wird, Hornstaple, soll sich erst noch herausstellen. Ich sag’s Euch gleich: Wenn Ihr mir wieder mit dieser leidigen Erbschaftsgeschichte um Greenvale Castle kommt, stoßt Ihr auf taube Ohren.«
    »Aber, Euer Gnaden, verzeiht einem, der nur Gerechtigkeit will! Es geht um Grund und Boden, der, wenn er nicht vererbt wird, der Krone zufällt.«
    »Und? Wäre das so schlimm? Gönnt Ihr Eurer Königin die Ländereien nicht?«
    »Äh … hahaha!« Hornstaple wand sich. »Euer Gnaden belieben zu scherzen. Unsere allseits geliebte Majestät wünscht sicher ebenso wie ich, dass der gesetzliche Erbe die Erbmasse erhält. Nur leider war sie wieder einmal nicht für mich zu sprechen.«
    »So dass Ihr Euch wieder einmal mit meiner Person zufrieden geben müsst.«
    Erneut wand sich der Advocatus. Doch ging er diesmal nicht auf Walsinghams Worte ein. »Es gibt neue Erkenntnisse, Euer Gnaden, Erkenntnisse von höchster Wichtigkeit, die ich Euch nicht vorenthalten darf.«
    »Was Ihr nicht sagt.« Walsingham wippte auf den Zehenspitzen. Derlei Ankündigungen von Hornstaple waren ihm sattsam vertraut.
    Der Advocatus zog aus seinem Umhang mehrere Papiere hervor, dabei eine wichtige Miene aufsetzend. »Ich habe hier eine beglaubigte Zeugenaussage, aus der hervorgeht, dass der Euch namentlich bekannte Leinenwebergeselle Warwick Throat der leibliche Vater des Vitus von Campodios ist.«
    Walsingham hörte auf zu wippen. In diesem Augenblick verwünschte er

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