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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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hatte er überall seine Informanten, allein dreizehn in Frankreich und neun in Deutschland. Auch in Italien und in den großen Hafenstädten Europas saßen welche, jeder Einzelne mit allen Wassern gewaschen, gerissen, erfahren und üppig bezahlt, getreu seinem Leitspruch »Wissen ist nie zu teuer« …
    »Gut, nehmen wir an, Vitus von Campodios wäre kein Collincourt, dann wäre er nicht erbberechtigt, aber Euer Mandant Warwick Throat ist es ebenso wenig. Also, was wollt Ihr noch?«
    »Ich möchte zur Königin vorgelassen werden.«
    »Nein!«
    »Euer Gnaden scheinen zu vergessen, dass es Bittschriften, Gesuche, Eingaben und manches mehr gibt, mit denen man sich direkt an Ihre Majestät wenden kann!«
    »Und die allesamt bei mir landen.« Walsingham hatte jetzt genug. Er spürte, dass er jeden Augenblick die Kontrolle über sich verlieren konnte, und das wäre unverzeihlich gewesen. »Ich rate Euch, Hornstaple, den Bogen nicht zu überspannen. Lasst die Dinge endlich auf sich beruhen. Es ist für alle besser so.«
    »Nur nicht für den armen Warwick Throat, Euer Gnaden.«
    »Wie meint Ihr das?« Etwas in des Advocatus’ Stimme hatte Walsingham noch einmal aufhorchen lassen.
    »Throat ist ein todkranker Mann, Euer Gnaden. Er hat nicht mehr lange zu leben. Die einzige Hoffnung, die ihm geblieben ist, ist die auf das Erbe. Deshalb, mit Verlaub, auch meine Hartnäckigkeit.«
    Walsingham schwieg und dachte: Sieh an. So hat sich meine Geduld doch noch gelohnt. Dass Warwick ein todgeweihter Mann ist, könnte eine nützliche Information sein. Dennoch kann das dreiste Auftreten dieses Winkeladvokaten nicht einfach so hingenommen werden. Ich will ihm einen gehörigen Schrecken einjagen, damit er erkennt, warum die Leute sagen: Es ist nicht angenehm, Walsinghams Dolch von der falschen Seite aus zu sehen …
    Laut sagte er: »Ihr seid wirklich sehr hartnäckig, deshalb möchte ich Euch abschließend darauf aufmerksam machen, dass ein solches Verhalten nicht immer gesundheitsfördernd ist. Habe ich Euch eigentlich schon einmal von meinem Onkel Sir Edmund Walsingham erzählt? Nein? Nun, man sagt ihm nach, er sei ein wenig grob bei allem, was er tut. Er ist übrigens Lieutenant des Tower. Zwar kommt Ihr, Hornstaple, aus Worthing, aber ich darf voraussetzen, dass Ihr um die große Bedeutung dieser altehrwürdigen Zitadelle im Osten unserer Stadt wisst. Und ich darf ebenfalls voraussetzen, dass Ihr schon davon gehört habt, wie sehr man die nichtadligen Gefangenen im Gefängnisteil schmachten lässt.«
    »Jawohl, Euer Gnaden«, war alles, was Hornstaple daraufhin sagte. Er wusste, er hatte verloren. Er verbeugte sich tief und verließ rückwärts gehend den Raum.
    Walsingham sah es mit Befriedigung. Der Fall war erledigt. Trotzdem beschloss er, den Advocatus und seinen Mandanten noch weiter beobachten zu lassen.
     
    Mit ebenjenen Dokumenten, die er vor dem Besuch Hornstaples abgezeichnet hatte, begab sich Walsingham am nächsten Tag zu seiner Königin. Er schritt durch die weiten Hallen und Gänge von Schloss Whitehall, der prächtigen Residenz englischer Herrscher in der Hauptstadt London. Ohne Probleme passierte er dabei mehrere Wachen, denn er war überall bekannt. Vor der Tür zu dem Zimmer, von dem er wusste, dass Elisabeth gern darin musizierte, machte er Halt. Er nickte kurz einem Diener zu, der sich daraufhin tief verbeugte und ihn einließ.
    Walsingham trat in den Raum und ging vorsichtig weiter, bemüht, keinen Lärm zu verursachen, denn seine Königin saß am Spinett. Er erkannte, dass sie wieder einmal jene einfache, zu Herzen gehende Weise spielte, die einst ihr Vater, Heinrich  VIII . komponiert und so gern zur Laute vorgetragen hatte:
    Pastime with good company I love and shall until I die.
    Grudge so will, but none deny,
    so God be pleased, so live will I:
    For my pastance hunt, sing and dance
    My heart is set all goodly sport to my comfort:
    Who shall me let?
    Walsingham lauschte andächtig. Er liebte die Stimme seiner Königin, die an diesem Tag zusammen mit Kate Ashley, ihrer alten Erzieherin, und einigen ihrer weiß gekleideten Ehrenjungfrauen sang. Und er bewunderte einmal mehr ihre Hände: Sie waren lang und schmal und alabasterweiß. Wie so oft blitzten auch an diesem Tage nicht weniger als acht Ringe an ihren Fingern.
    Sie sollte ihre schönen Hände viel öfter zeigen, dachte er, und nicht so häufig Handschuhe tragen. Ihr Kleid ist wieder einmal mit Bedacht gewählt: Grün und Weiß, die Farben der

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