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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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sein Amt als Leiter des Geheimdienstes, das es immer wieder mit sich brachte, Betrüger und Erbschleicher entlarven zu müssen. Wie dankbar wäre er jetzt gewesen, wenn irgendein County-Sheriff die Sache hätte regeln können, aber das kam selbstverständlich nicht in Frage. Es ging hier um das Eigentum eines Peers, zudem um Eigentum, das Wilhelm der Eroberer einst einem seiner treuesten Streiter persönlich geschenkt hatte: Roger Collincourt.
    »Wer hat das Dokument beglaubigt?«, fragte Walsingham.
    »Wer? Nun, Euer Gnaden, ich natürlich … äh, wollt Ihr damit etwa andeuten …?«
    »Ich will gar nichts. Es war nur eine Frage.« Walsingham spürte Genugtuung, dass er den Wichtigtuer aus der Fassung gebracht hatte.
    »Nun, die Zeugenaussage stammt von einem gewissen Mike Springle. Er schwört bei Gott dem Allmächtigen, dass er Throat und Lady Jean mehrfach beim geschlechtlichen Akt beobachtet hat.«
    Walsingham horchte auf, ließ sich aber nichts anmerken. Wenn es stimmte, was Hornstaple da schwarz auf weiß hatte, ergäbe sich immerhin, dass der Mann, der sich Vitus von Campodios nannte, tatsächlich ein Bastard war. Doch das waren viele. Selbst die von ihm so verehrte Elisabeth war häufig so bezeichnet worden, denn nach der Hinrichtung ihrer Mutter Anna Boleyn hatte sie zunächst als illegitim gegolten.
    Ansonsten aber würde sich nichts ändern. »Was ist der Zeuge von Beruf?«
    »Bierkutscher, Euer Gnaden.«
    »Soso.« Spätestens jetzt stand für Walsingham fest, dass die von Hornstaple angekündigten neuen Erkenntnisse weiter nichts als laue Luft waren. Dennoch sagte ihm seine Erfahrung als Geheimdienstler, dass es nicht falsch wäre, mit der Beendigung des Gesprächs noch ein wenig zu warten. Manchmal ergab sich unerwartet doch noch etwas Wichtiges. »Soso, ein Bierkutscher, sagt Ihr? Und warum fällt dem Burschen erst nach fünfundzwanzig Jahren ein, was er da gesehen hat? Gibt es einen vernünftigen Grund dafür?«
    Hornstaple knetete die Hände. »Nun, Springle sagte mir, er sei viel krank gewesen, auch habe er sich jahrelang nicht getraut, mit der Sprache herauszurücken, weil er Angst vor Schwierigkeiten hatte. Lady Jean entstammt immerhin dem Hochadel.«
    »Das tut sie in der Tat.«
    »Jawohl, Euer Gnaden.« Hornstaple setzte ein Lächeln auf, das in seinem Gesicht so fremd wirkte, als sei es dort nur zu Gast. »Wollt Ihr Euch die beglaubigte Zeugenaussage nicht ansehen?«
    »Nein, das will ich nicht. Denn sie ist unerheblich. Throat mag zehnmal der leibliche Vater des Vitus von Campodios sein, er hätte trotzdem kein Anrecht auf Greenvale Castle
,
denn ein nicht angeheirateter Kindesvater ist nicht erbberechtigt. Da könnt Ihr die Paragraphen so lange reiten, wie Ihr wollt.«
    »Um Gottes willen, Euer Gnaden, ich wollte nicht Euren Unmut heraufbeschwören, dennoch muss ich …«
    »Ihr müsst gar nichts. Vielmehr scheine ich Euch daran erinnern zu müssen, dass mir in der Jurisprudenz niemand etwas vormacht. Oder ist Euch nicht bekannt, dass ich Student der Rechte am King’s College in Cambridge war?«
    »Oh … äh.« Hornstaples Gesichtsausdruck sprach eine deutliche Sprache. Er hatte es nicht gewusst. Allerdings fing er sich rasch wieder und sagte: »Selbst wenn dem so ist, Euer Gnaden, so gibt es doch Ausnahmen. Das ist ja auch der Grund, warum ich unbedingt Ihre Majestät sprechen muss. Sie wird entscheiden, was rechtens ist, denn sie ist die Königin.«
    »Die für Euch aber keine Zeit hat! Begreift Ihr das denn nicht, Hornstaple?«
    Der Advocatus schluckte. Wer ihn kannte, wusste, dass er ein zäher Hund war. Er hatte sich in den Kopf gesetzt, für Warwick Throat ein Erbe zu erstreiten, und er würde niemals aufgeben. Denn wenn er es schaffte, lockte ein gewaltiges Sümmchen, das ihn bis ans Ende seiner Tage von allen finanziellen Sorgen entband. »Der vermeintliche Sohn ist nicht der Sohn, Euer Gnaden! Vitus von Campodios ist ein hergelaufener Bauernjunge, mehr nicht. Gewiss, es lag seinerzeit ein Säugling im Damasttuch vor dem Tor des Klosters, aber das war beileibe nicht ein Sproß der Collincourts. Wer weiß denn, wo Lady Jean sich zu jenem Zeitpunkt wirklich aufhielt? Niemand. Die Vorstellung, Vitus von Campodios wäre von adliger Herkunft, ist doch einfach lächerlich.«
    »So, findet Ihr?« Die unpräzise Argumention des Advocatus begann Walsingham nachhaltig zu verdrießen. Zumal er seit geraumer Zeit wusste, dass der Cirurgicus tatsächlich Lady Jeans Sohn war. Schließlich

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