Die Mission des Wanderchirurgen
verhindern, dass Vitus von Campodios das Erbe zugesprochen wird. Er ist ein hartnäckiger Schleimer, der erst Ruhe gab, als ich damit drohte, ihn in den Tower werfen zu lassen. Ich müsste mich sehr täuschen, wenn wir ihn nicht ein für alle Mal los wären.«
»Danke, Francis.« Elisabeths Hand ruhte unverändert auf seinem Arm.
»Bei der Gelegenheit möchte ich Euch mitteilen, dass mittlerweile alle Zweifel an der adligen Herkunft des Vitus von Campodios ausgeräumt sind. Der junge Mann ist der letzte Collincourt.«
»Wie könnt Ihr da so sicher sein, Francis? Die Möglichkeit, dass er vertauscht wurde, ist doch nicht völlig auszuschließen?« Elisabeth nahm ihre Hand fort.
»Lady Jean hat ihren Sohn persönlich vor dem Kloster abgelegt. Sie tat es, weil sie ihren Tod herannahen fühlte. Das kann eine alte Stoffweberin, in deren Haus Lady Jean wenig später starb, bezeugen.«
»Eine alte Stoffweberin? Woher wollt Ihr das wissen? Das alles liegt doch viele Jahre zurück!«
»Meine Erkenntnisse stimmen, Majestät. Damit Ihr mich versteht, gestattet mir, ein wenig auszuholen: Vitus von Campodios verließ im letzten Jahr Greenvale Castle, um nach Padua zu gehen. Er wollte an der dortigen Universität alles über die Geißel Pest erfahren, um sie auf diese Weise besiegen zu können. Das hatte er Lady Arlette, seiner Cousine sechsten Grades, auf dem Sterbebett versprochen.«
»Lady Arlette? Ach ja, ich weiß, dass er sie heiraten wollte. Normalerweise interessiere ich mich nicht für das, was auf dem Lande passiert, aber meine acht Hofdamen hatten wochenlang kein anderes Thema. Arlette starb an der Pest, nicht wahr?«
»Jawohl. Daher auch die wilde Entschlossenheit des jungen Vitus, es mit dem schwarzen Tod aufzunehmen. Als ich Anfang letzten Jahres von dieser Absicht erfuhr, befahl ich meinen Informanten in Padua, ihn nach seiner Ankunft zu beobachten.«
»Aber warum das?«
»Aus mehreren Gründen, Majestät. Erstens wusste ich, welch exzellenter Arzt der junge Vitus ist. Ich dachte mir, wenn es einem gelingen kann, hinter das Geheimnis der Pestis zu kommen, dann ihm. Zweitens ist die Pestis eine Seuche, welche die Menschen wie keine zweite schlägt. Denkt nur an die zahllosen Opfer von 1578. London war damals in ganzen Straßenzügen wie ausgestorben. Drittens, so überlegte ich, wäre die Pestis unter bestimmten Umständen eine unwiderstehliche Waffe, dann nämlich, wenn ihre Vernichtungskraft zielgerichtet gesteuert werden könnte. Allein aus den beiden letztgenannten Gründen, Majestät, wollte ich der Erste sein, der die Forschungsergebnisse des jungen Vitus erfährt.«
Elisabeth schüttelte beeindruckt den Kopf. »Erstaunlich, erstaunlich, was alles hinter meinem Rücken geschieht, doch wenn ich es recht bedenke, will ich es auch gar nicht wissen. Fahrt fort, Francis.«
»Gern, Majestät. Zunächst hörte ich monatelang nichts von meinen Paduaner Informanten, und ich dachte schon, der junge Vitus wäre mit seinen Freunden verschollen …«
»Mit seinen Freunden?«
»Ja, der eine heißt Ramiro García, er ist Magister der Jurisprudenz und kommt aus La Coruña in Spanien, der andere ist ein buckliger Zwerg, der Enano gerufen wird.«
»Welch seltsames Trio!«
»Allerdings. Die drei sind kaum zu übersehen. Deshalb fiel meinen Informanten ihre Beobachtung auch nicht schwer, als sie endlich doch in Padua eintrafen.«
»Wisst Ihr, warum die Reise so ungewöhnlich lange dauerte?«
»Nein, nicht genau. Ich weiß nur, dass Vitus von Campodios in Tanger Zwischenstation machte. Danach verloren wir seine Spur. Um auf Padua zurückzukommen: Der junge Vitus und der Magister García lernten an der dortigen Universität den Anatomen Mercurio Girolamo kennen und forschten mit ihm gemeinsam nach den Ursachen des schwarzen Todes. Sie gewannen neue, bahnbrechende Erkenntnisse, die zweifellos von größter Wichtigkeit sind.«
»Welche?«
»Ich bitte um Geduld, Majestät. Lasst mich zunächst weiter berichten, warum Vitus von Campodios ein echter Collincourt ist. Besagter Vitus also schrieb ein Buch über die Forschungsergebnisse …«
»Dieses?«
»Genau. Als er damit fertig war, reiste er mit seinen Freunden ab. Er wollte von Genua aus ein Schiff nach England nehmen. Professor Girolamo versprach, sich unterdessen um den Druck des Werkes zu kümmern. Meine Informanten beobachteten ihn weiter, denn sie wollten selbstverständlich eines der ersten Exemplare erwerben und an mich senden. Eines Tages nun geschah
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