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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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etwas Merkwürdiges: In der Universität wurde eine schwere Segeltuchtasche abgegeben, der Adressat war Vitus von Campodios. Da dieser schon abgereist war, nahm Girolamo sich der Tasche an. Er öffnete sie und fand zwei Briefe darin. Die Briefe öffnete er ebenfalls. Der eine war von einem Pater Thomas, welcher Arzt und Prior auf Campodios ist, darüber hinaus war er der Lehrmeister des jungen Vitus. Der andere Brief war von einem gewissen Catfield, dem obersten Verwalter von Greenvale Castle.«
    »Und was stand in den Briefen?« Elisabeth hing jetzt wie gebannt an Walsinghams Lippen.
    »Das herauszufinden war gar nicht so einfach, denn Girolamo hütete die Schreiben wie seinen Augapfel. Erst als er die Tasche weiterschickte, gelang es meinen Informanten, sie für kurze Zeit in die Hände zu bekommen. Es befanden sich drei Briefe darin, die beiden vorgenannten und dazu ein Schreiben von Professor Girolamo an Pater Thomas.«
    »Und was hat das alles mit dem Herkunftsbeweis des Vitus von Campodios zu tun?«
    »Nur einen Augenblick Geduld noch, Majestät. Der zweifellos entscheidende der drei Briefe war der älteste. Darin schreibt Pater Thomas an den jungen Vitus, der endgültige Beweis für seine adlige Herkunft sei erbracht. Es gebe eine alte Stoffweberin in der Nähe des Klosters – ebenjene, die ich vorhin schon erwähnte –, die bezeugen könne, dass Lady Jean ihr Kind in einem roten Tuch vor dem Tor abgelegt habe, bevor sie noch am selben Tage starb. Er bittet seinen Schüler, nach Campodios zu kommen, damit er selbst mit der alten Stoffweberin reden könne. Und dies besonders rasch, da die Alte krank auf den Tod sei.
    Der zweite Brief von Catfield ist ungleich weniger wichtig. Darin gibt der Verwalter nur seinem Bedauern Ausdruck, dass der erste Brief seinen Herrn nicht erreicht habe, da er schon abgereist sei. Er sende ihn hiermit weiter nach Tanger …
    Der dritte Brief nun, der des Professors an Pater Thomas, bereitete meinen Informanten am meisten Mühe, denn er war ja noch versiegelt. Dennoch gelang es ihnen, das Schreiben zu öffnen, zu lesen und dergestalt wieder zu verschließen, dass niemand Verdacht schöpfen konnte. Der Professor schreibt darin, der junge Vitus käme baldmöglichst nach Campodios.«
    Elisabeth zog die Brauen hoch. »Einen Augenblick. Wenn ich richtig zugehört habe – und ich habe richtig zugehört –, konnte Professor Girolamo gar nicht wissen, dass der junge Vitus nach Campodios unterwegs war. Der Professor musste doch annehmen, dass er nach England fuhr.«
    »Gewiss, Majestät. Aber zu dem Zeitpunkt, da Girolamo den Brief schrieb, hatte er schon mehrfach wieder Kontakt mit dem jungen Vitus gehabt – und zwar per Brieftaubenpost. So konnte er ihm in aller Kürze berichten, dass der letzte Beweis für seine adlige Herkunft erbracht sei, und ihn auffordern, nach Campodios zu eilen.«
    »Es scheint, der junge Vitus hat eine bewegte Zeit hinter sich«, meinte Elisabeth nach einer Weile.
    »Das stimmt in der Tat.« Walsingham griff erneut in seine Dokumententasche und förderte zwei Papiere hervor. »Hier, Majestät, habe ich zwei Abschriften des ersten und dritten Briefes. Die Schrift ist nicht besonders leserlich, da meine Informanten nur wenig Zeit zum Kopieren hatten, aber ich denke, Ihr könnt sie dennoch entziffern.«
    Elisabeth ergriff die Briefe und begann sie zu studieren. Sie nahm sich Zeit mit dem Lesen, und als sie fertig war, wirkte sie sehr nachdenklich. »Ein bemerkenswerter junger Mann, dieser Vitus«, sagte sie. »Er hat sich und die Seinen vor der schwarzen Geißel gerettet, indem er einen Feuering anlegen ließ. Wusstet Ihr, Francis, dass ein solcher Ring eine Schutzmauer darstellen kann?«
    »Um ehrlich zu sein, nein, Majestät.«
    »Ich auch nicht. Doch ich will noch einmal auf die Herkunft dieses jungen Mannes zu sprechen kommen. Hornstaple behauptet, die Säuglinge könnten vertauscht worden sein. Könnten sie das nicht immer noch, trotz der alten Stoffweberin und ihrer Aussage?«
    Walsingham zögerte. Dann antwortete er: »Hornstaple hat vieles behauptet, eines aber ist jetzt klar: Es gibt eine Zeugin dafür, dass Lady Jean vor dem Kloster war und dort ihren Säugling ablegte. Diese Zeugin sagte ferner, nach Aussage von Lady Jean habe der Säugling in einem roten Tuch gelegen. Daraus folgere ich: Erstens, Lady Jean kann das Tuch nicht vorher gestohlen worden sein, etwa von einer Frau, die es für ihr eigenes Kind wollte, um dieses dann vor dem Kloster

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