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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Raum. Trotz der Unhöflichkeit, die ihm widerfahren war, verbeugte er sich in geziemender Weise. »Guten Tag, Sir Francis.«
    »Guten Tag. Ich bin Euch sehr verbunden, dass Ihr den Weg zu mir unverzüglich gefunden habt.« Walsingham, der an diesem Tag im Gegensatz zu seiner sonstigen Gepflogenheit Kleider von nachtblauer Farbe trug, saß hinter seinem Schreibtisch und deutete auf ein Sitzmöbel ihm gegenüber. »Nehmt Platz.«
    »Vielen Dank, Sir Francis.«
    Walsingham lehnte sich zurück, legte die Fingerspitzen aneinander und sagte zunächst nichts. Die erste kleine Prüfung hat er mit Anstand hinter sich gebracht, dachte er. Der junge Mann hat sich in der Gewalt. Wir wollen sehen, wie er sich weiter macht. »Ich bitte um Entschuldigung, dass ich Euch warten lassen musste«, begann er das Gespräch. »Eure Rückkehr nach England ist zwar wichtig, aber, nehmt es mir nicht übel, es gibt noch wichtigere Dinge.«
    Vitus deutete ein Nicken an, zum Zeichen, dass er verstanden hatte.
    Walsingham lächelte. Die zweite Kröte hat er auch recht achtbar geschluckt, stellte er insgeheim fest. »Vielleicht wundert Ihr Euch, dass ich mir erlaubt habe, mich, äh … sozusagen terminlich vorzudrängen.«
    »Das tue ich tatsächlich, Sir Francis.«
    »Ich habe natürlich meine Gründe dafür – und das Einverständnis Ihrer Majestät.« Walsingham kam zu dem Schluss, dass sein Besucher auch die dritte Hürde genommen hatte: Er hatte darauf verzichtet, zu behaupten, er hätte sich nicht gewundert, und die Wartezeit hätte ihm nichts ausgemacht. Der junge Collincourt begann ihm sympathisch zu werden.
    Vitus zog ein Schreiben aus seinem Ärmel. »Dies ist der Brief, in dem Ihre Majestät mich auffordert, schnellstmöglich vor ihr zu erscheinen. Ihr müsst gute Argumente haben, Euch über den Willen der Königin hinwegzusetzen.«
    Oho!, dachte Walsingham. Von diesem Kaliber ist der Bursche also. Einer, der, ohne mit der Wimper zu zucken, einsteckt, um anschließend selber kräftig auszuteilen! Vitus von Campodios, der du ein junger Collincourt bist, du gefällst mir immer besser. »Behaltet den Brief, ich glaube Euch auch so …«
    »Das ehrt mich.«
    »… weil ich den Inhalt selbst verfasst habe.«
    »Wie … wie meint Ihr?«
    Walsingham sah mit Vergnügen, dass sein Besucher nun doch um Fassung rang.
    »Aber die Königin hat doch selbst unterschrieben?«
    »Die Königin unterschreibt vieles. Sie kann nicht jedes Schriftstück vorher durchlesen. Sie vertraut mir. Und das solltet Ihr auch.«
    Vitus steckte den Brief wieder ein. »Das will ich gerne tun, wenn Ihr mir verratet, warum Ihr mich herbefohlen habt.«
    Walsingham tippte die Fingerspitzen aneinander. »Es mag in Euren Ohren vielleicht übertrieben klingen, aber es geht um nicht mehr und nicht weniger als um das Wohl Englands. Seht einmal, was ich hier habe.«
    Vitus staunte. »Das Werk
De Causis Pestis!
Mein Werk.«
    »Ganz recht. Wie ich weiß, besitzt Ihr noch kein Exemplar, deshalb ist es mir ein Vergnügen, Euch dieses überlassen zu können.«
    Vitus war sprachlos.
    »Ich weiß, dass Euch jetzt viele Fragen auf der Zunge liegen. Vergebt mir, wenn ich nicht alle beantworten kann. Nur so viel: Die englische Krone hat überall, sagen wir, Mittelsmänner, die mir zuarbeiten. So wusste ich auch beizeiten, dass Ihr
De Causis Pestis
geschrieben hattet, und ließ mir einige Exemplare besorgen.«
    »Aber … aber, wie konntet Ihr so schnell an das Werk kommen?«
    Walsingham tat, als sei dies nichts Besonderes. »Schnelligkeit und Wissen, Wissen und Schnelligkeit, nur darauf kommt es an. Beides sind unabdingbare Voraussetzungen, wenn man seinem Land wirkungsvoll dienen will. Die Königin hat Euer Buch im Übrigen auch bereits gelesen. Sie ist sehr beeindruckt.«
    »So ist das Buch womöglich der Grund, warum ich zuerst bei Euch und nicht bei Ihrer Majestät bin?«
    »Ihr habt einen klugen Kopf. Ich wünschte, ich hätte in meinen Reihen mehr Männer Eurer Auffassungsgabe. Doch zur Sache: Wer Euer Werk aufmerksam gelesen hat, weiß, dass
Pulex pestis
der Verursacher des schwarzen Todes ist. Ein unscheinbarer Floh. Ein Umstand, den zu glauben einem anfangs schwer fällt.«
    »Nicht jeder
Pulex
ist automatisch ein Pestfloh, Sir Francis. Es gibt wahrscheinlich mehr Flöhe als Sterne am Himmel, und die meisten von ihnen übertragen die Seuche nicht. Gottlob ist es so, denn sonst wäre die Menschheit mit Sicherheit längst ausgerottet.«
    »Da gebe ich Euch Recht. Wenn ich mich

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