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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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der Fäkalien, tauchten sie hinab und scheuten sich nicht, mit bloßen Händen in den Exkrementen zu wühlen, »Gold, Gold, Gold!« schreiend und kaum bemerkend, dass sie dabei den einen oder anderen Fußtritt von den Sklaven erhielten.
    Ein Schuss machte dem unrühmlichen Spektakel ein Ende. Der Kommandant hatte eine seiner Schnapphahnpistolen abgeschossen. »Aufhören, sofort aufhören!«, schrie er. »Wer Mehmet Pascha bestiehlt, wird von ihm persönlich getötet. Los, ihr Ratten, legt das Gold zurück in die Truhe!«
    Als die Piraten nur widerwillig gehorchten, fuhr ein zweiter Schuss durch ihre Reihen. Einer der Männer heulte auf, er war in den Arm getroffen worden. Das schien sie endlich zur Vernunft zu bringen, denn nacheinander traten sie nun an die Kiste heran und warfen die erbeuteten Kostbarkeiten hinein.
    »Gut!«, rief der Kommandant, »brave Ratten! In Tanger teilen wir, das verspreche ich bei Allah, dem Erbarmer, dem Barmherzigen. Ich bekomme den Löwenanteil, aber auch für jeden von euch wird so viel übrig bleiben, dass er sein Lebtag nicht wieder auf Raubzug gehen muss.«
    Das waren Worte nach dem Geschmack der Männer, weshalb sie freudig gehorchten und auf ihre Posten zurückgingen. Der Kommandant atmete tief durch. Die Situation war brenzlig gewesen, aber er hatte sie gemeistert dank der durch seinen Lachmuskelerwecker neu geladenen Pistolen. Er hatte genau gesehen, wer ihn bestehlen wollte und wer nicht. Von den wenigen Kerlen, die nicht ihre gierigen Pfoten nach seinem Gold ausgestreckt hatten, suchte er zwei aus, bewaffnete sie bis an die Zähne und stellte sie als Posten neben die Truhe. Weitere Männer hieß er die Schäden reparieren, während er Kurs auf Tanger nehmen ließ.
    Die
Inocencia,
von der nur noch das Heck mit dem Ruderblatt aus der See ragte und auf der keine einzige Seele überlebt hatte, würdigte er keines Blickes mehr.
     
    Drei Tage waren seitdem vergangen. Drei Tage, in denen Vitus und seine Leidensgenossen keinen einzigen Schlag mit dem Ruder tun mussten. Der Grund war einfach: Die
Yildirim
lag an der Pier. Mehmet Pascha hatte Wort gehalten und seinen Ratten den versprochenen Anteil ausgehändigt. Nach des Kommandanten Schätzung hatte er zwar nur ein Hundertstel des Beutewerts an seine Männer verteilt, aber auch dieser Bruchteil war immer noch so viel, dass die Ratten seit drei Tagen und Nächten ununterbrochen in Tangers Medina soffen, hurten und feierten.
    Eine nahezu gespenstische Ruhe herrschte auf dem Schiff. Nur die beiden Posten, welche die Truhe bewachten, befanden sich an Bord. Der Abend brach an. Die letzten Sonnenstrahlen versanken im Westen und ließen das Hafenwasser wie flüssiges Erz aussehen. Auch Mehmet Pascha war an Land gegangen, um sich den Sinneslüsten hinzugeben. Da er sicher gewesen war, sich dabei großartig zu vergnügen, hatte er seinem Lachmuskelerwecker erlaubt, ihn nicht zu begleiten. Diese Gnade war dem Zwerg in den letzten Tagen ein paarmal widerfahren, und er hatte sie stets genutzt, um seinen Freunden etwas Essbares zu bringen. Doch musste er dabei höchst umsichtig vorgehen, denn der Kommandant tauchte immer wieder unverhofft an Bord auf, getrieben von der Unruhe, jemand könnte ihm seinen Schatz rauben.
    »Heiderdei, Vitus, hab eine Brüh von Bauerndegen, Böllerlein un Ziehlingen, sie soll wohl schmerfen!«, rief der Zwerg verhalten – und meinte damit eine Suppe aus Bohnen, Erbsen und Möhren. »Auch fette Mast un gefünkelter Grätling sin da«, was so viel wie Fleisch und gerösteter Fisch hieß. »Los, los, das sattert!«
    Vitus griff zu. Der Einfachheit halber nahm er von dem Tablett nur Fisch und ein paar Happen Fleisch, Hammelfleisch, wie er feststellte. Er bemerkte, dass er mittlerweile schon unterschied, was Enano ihm zusteckte, was daran lag, dass es ihm wesentlich besser ging. Die drei Tage Pause und sehr viel Schlaf hatten neben dem Essen das ihrige getan. Wenn man nur aufstehen und ein einziges Mal die Glieder strecken könnte!
    Gottlob hatte sich auch die Verfassung des Magisters zum Guten gewendet. Gleiches galt für Ngongo, Alb und Wessel. Der Zwerg war wie ein Vöglein, das unablässig ausflog, um seine nimmersatten Kuckucksküken mit Nahrung zu versorgen. Er bediente sich dabei des Geldes, welches er und der Magister durchs Geschichtenerzählen verdient hatten. Aber auch die anderen an den Ruderbänken vergaß er nicht. Nur bekamen diese weniger. »Dass alle sattern, dafür langt’s sowieso nich«, fistelte er

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