Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
Vom Netzwerk:
dann.
    Als der kleine Wohltäter Vitus noch Suppe aufnötigen wollte, winkte dieser ab. Es war unklug, einen verkleinerten Magen voll zu stopfen, auch wenn die Speise noch so lockte. »Gib lieber den anderen Bänken.«
    Der Wicht protestierte.
    »Gib den anderen Bänken«, wiederholte Vitus. »Bitte, Zwerg. Bring uns lieber mehr Wasser. Wir alle müssen viel trinken.«
    »Wui, wui, Herr Schlaudokter, wenn’s sein muss.« Widerstrebend reichte der Wicht sein Tablett nach hinten weiter. Dann turnte er wieder zur Corsia hinauf. Er wollte nach achtern, denn er wusste, dass Mehmet Pascha in seiner Kajüte ein persönliches Wasserfass verwahrte, dessen Nass frisch aus dem Ziehbrunnen nahe der Mole kam. Er trippelte auf der Corsia entlang, dabei wie immer nach allen Seiten sichernd. Keine Gefahr!, signalisierten ihm seine flinken Äuglein. Der Pischpaschpascha glänzte noch durch Abwesenheit!
    Er huschte vorbei am roten Kommandantensessel und wollte den Niedergang zur Kajüte hinuntereilen, da packte ihn jählings eine Hand im Nacken. Der Winzling zappelte wie ein Fisch an der Angel, um sich zu befreien, aber die Hand umklammerte seinen Hals wie die Backen eines Schraubstocks. »Wieso f … fütterst du … Mehmet Paschas S … Sklaven?«, grollte der Kommandant in der verwaschenen Sprache des Betrunkenen.
    Enano zappelte weiter, während er seine Unaufmerksamkeit verwünschte und fieberhaft überlegte, was zu tun sei. Woher, in drei Teufels Namen, kam der Pascha so plötzlich? Hatte er ihm aufgelauert? Nein, dann hätte er an Bord zechen müssen, die ganze Zeit schon, und das wäre aufgefallen. Er war also wie immer an Bord zurückgekommen, ganz normal durch die Deckspforte, und er, Enano, hatte es nicht bemerkt. Unverzeihlich! Aber Jammern half jetzt nicht, denn die Luft begann ihm bereits knapp zu werden. Er beschloss, sich dumm zu stellen und alles abzustreiten. Möglichst lustig, denn wenn der Kommandant erst einmal wieder lachte, wäre viel gewonnen.
    »Was plärrst du mir?«, krächzte er. »Hab nix gefüttert, ’s war andersrum, hab der Mischpoche die Mansche weggestochen, weggestochen!«
    »V … versuche nicht, M … Mehmet Pascha zu b … bescheißen, du hast sie gep … gepäppelt!« Der Druck der Hand wurde, wenn überhaupt möglich, noch fester.
    Enano rang nach Luft. Er konnte nicht mehr sprechen und wedelte heftig mit den Ärmchen. Was konnte er tun? Ihm wurde schwarz vor Augen. Wie aus weiter Ferne hörte er die Stimme des Kommandanten. »M … ehmet Pascha entzieht dir s … seine G … Gunst.«
    Enano war schon drauf und dran, seinem Schöpfer, den er den Großen Machöffel nannte, gegenüberzutreten, da löste sich auf einmal der gnadenlose Griff. Der Kommandant keuchte, begann zu wanken und fiel seitlich auf die Planken. Der Winzling sah, dass dem Pascha ein Dolch im Hals steckte, und er sah auch, wer dieses Messer benutzt hatte: Es war ein großer, hagerer Mann mit abstoßenden Gesichtszügen, einem herrischen Mund und einem durch eine schlecht verheilte Schwertnarbe entstellten Auge.
    Enano wunderte sich. Der Mörder schien nicht im Mindesten besorgt, dass er davonlaufen und ihn verraten könnte, und gleich darauf erkannte er auch den Grund dafür. Von allen Seiten tauchten plötzlich Männer auf, verwegen gekleidet und schwer bewaffnet. Es waren fremde Männer, und doch kamen sie dem Zwerg bekannt vor. Dann wusste er, warum. Es musste sich ebenfalls um Piraten handeln. Piraten, die im Gegensatz zu Mehmet Paschas Ratten stocknüchtern waren und sich nicht in der Medina aufhielten, sondern hier an Bord gekommen waren, um … ja, warum eigentlich?
    Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Mehrere bärenstarke Burschen kamen, die Schatztruhe auf den Schultern, aus des Paschas Privatgemach und trugen sie unter Aufbietung aller Kräfte an Land, wo sie auf einen schweren Transportwagen verladen wurde. Unmittelbar danach hörte man direkt hinter dem Heck ein zweimaliges Aufklatschen. Das mussten die Wachtposten sein, die man getötet und über Bord geworfen hatte. Enanos Äuglein wanderte flink hin und her. Das Narbenauge hatte bekommen, was es wollte: den Schatz des Mehmet Pascha, den er bei dieser Gelegenheit eiskalt über die Klinge springen ließ, ebenso wie die beiden Wachen. Aber warum verschwand der Pirat jetzt nicht? Was wollte er denn noch?
    Der Wicht bekam es mit der Angst zu tun. Da erkannte er, dass Narbenauges Männer damit begonnen hatten, die Rudersklaven der
Yildirim
zu

Weitere Kostenlose Bücher