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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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es längst gesehen!« So schnell ihn seine Beine trugen, eilte der Kommandant höchstselbst zum Bug, wo er ächzend die Kampfplattform erklomm. Oben angekommen, spähte er angestrengt aufs Meer, seine Augen mit der behaarten Hand abschirmend. Lange sagte er nichts. Die Spannung unter den Piraten stieg. Dann endlich die Erlösung: »Es ist ein Spanier. Ich sehe es am roten Christenkreuz auf dem Großsegel. Allah sei Dank!«
    Während die Galeone näher und näher aufschloss, hatte der Kommandant Gelegenheit, sie weiter zu studieren. Der Spanier lag ziemlich tief im Wasser. Hatte er sich den Bauch mit Preziosen voll gestopft? Mit Kleinodien aus der Neuen Welt? Mit Gold und Silber, mit Geschmeide und Juwelen? Oder hatte er nur reichlich Brackwasser in der Bilge, weil seine Verbände undicht waren? Egal! Allah hatte ihm dieses Schiff gesandt, und er würde es kapern!
    »Ist der Vierzigpfünder auch richtig abgedeckt?«, fragte er zum soundsovielten Male. »Mehmet Pascha möchte nicht erleben, dass der Bursche Lunte riecht.«
    »Jawohl, ist abgedeckt!«, erscholl es prompt vom Bug.
    »Gut, so mag es Mehmet Pascha.« Abermals betrachtete der Kommandant den Herankommenden eingehend. Er näherte sich aus südwestlicher Richtung, kam vielleicht von Madeira oder den Kanaren und hielt mit seinen turmhohen Segeln direkt auf sie zu. Allah sei Dank! Hätte der Fremde einen anderen Kurs gesteuert, wäre er ihnen davongesegelt. So aber würde er spätestens in einer halben Stunde auf Schussweite herangekommen sein.
    »Gut«, murmelte der Kommandant erneut, während er noch immer den Spanier musterte. »Wir fahren das übliche Täuschungsmanöver.«
    Bald darauf bot die
Yildirim
einen jammervollen Anblick: Von den drei stolzen Masten waren zwei umgelegt worden, lediglich der Vordermast stand noch, und an ihm hing ein halb zerrissenes Lateinsegel. Die Sklaven im Bauch des Schiffs hatten Befehl erhalten, die Langruder bis auf wenige Ausnahmen einzuziehen. Die Kesselpauke schwieg. Die Galeere war jetzt ein namenloses blaues Wrack, das kaum noch Fahrt machte – wie ein Wasserkäfer ohne Beine. Und doch war sie wie eine Spinne im Netz, gefährlich und auf Beute lauernd. Ihre vierzehn Drehbassen, von deren Funktionstüchtigkeit Mehmet Pascha sich so oft überzeugt hatte, waren ebenso verhüllt wie der Vierzigpfünder und die beiden Vierundzwanzigpfünder daneben. Die Musketenschützen hatten sich auf der Poop versteckt, die anderen Piraten hielten sich, bis an die Zähne bewaffnet, unter der Rambate verborgen.
    »Hört zu, ihr Ratten!«, rief der Kommandant hinunter. »In ein paar Minuten gehört der Spanier uns. Kämpft, meine Ratten, kämpft wie noch nie zuvor in eurem Leben, dann werdet ihr reich sein und euch kaufen können, was euch gefällt. Häuser, Kamele, Frauen … Was immer ihr wollt, es wird euch gehören.«
    Wieder schirmte Mehmet Pascha die Augen mit der Hand ab, und was er sah, erfreute sein Herz. Die Galeone kam mit geschlossenen Stückpforten auf sie zu. Ein Bild des Friedens. Kaum Matrosen an Bord und von Soldaten keine Spur. Nur auf der Heckgalerie standen ein paar Männer, die unverwandt zu ihm herüberblickten. Wahrscheinlich der Kapitän und ein paar von diesen Dons, diesen hochnäsigen Edelleuten, die sich selbst Hidalgos nannten. Ja, schaut nur ganz genau her, ihr Ungläubigen, was ihr seht, wird euch gewiss nicht beunruhigen …
    Mehmet Pascha kicherte, griff in das Labyrinth seines Schalwars, holte eine Feige hervor und biss mit den Zähnen die Frucht vom Stängel. Die Feige war köstlich, und die Fremden schauten noch immer herüber.
    »Gepriesen seist Du, Allah, lass diese Heiden noch näher kommen. Gib, dass sie ihren Kurs beibehalten und uns querab passieren, damit wir ihnen eins auf den Pelz brennen können. Vierzig Pfund Eisen in ihre Steuerbordseite, das wär’s, wenn nur die Preziosen nicht Schaden nehmen. O Allah, Mehmet Pascha bittet Dich nur dieses eine Mal noch um etwas, nur dieses eine Mal, und in Zukunft wird er Deine Güte und Barmherzigkeit niemals wieder in Anspruch nehmen.«
    Der Geschützführer, der sich mit seiner Mannschaft unter der Abdeckplane des Vierzigpfünders befand, signalisierte, dass die Entfernung für einen gezielten Schuss noch zu groß sei. Er hielt drei Finger hoch: drei Minuten, die es seiner Meinung nach noch dauerte.
    »Geduld, Mehmet Pascha, Geduld. Die Brüder sind ahnungslos wie die Lemminge. Hoffentlich haben sie auch so viel Fett!«
    Die Piraten, die in drangvoller

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