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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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armer Bauern sein, vielleicht sogar nur das Ergebnis einer nicht von Gott gesegneten Verbindung.«
    »Aber wer sollte denn einen unschuldigen Säugling vertauschen – und warum?«
    Der Magister zuckte mit den Schultern. »Ich halte es ja auch für äußerst unwahrscheinlich, aber es ist eben nicht mit absoluter Sicherheit auszuschließen, dass eine Bauersfrau ihrem Kind eine gute Klostererziehung angedeihen lassen wollte und dafür im Gegenzug ein fremdes Kind zu sich nach Hause nahm.«
    »Das würde eine Mutter niemals tun!« In Rabias Stimme schwang Empörung mit. »Niemals!«
    »Ich glaube es auch nicht. Dennoch: So lange der Beweis noch nicht zu hundert Prozent erbracht ist, verzichtet der Cirurgicus auf die Anrede ›Mylord‹.«
    »Oh, er ist bestimmt ein hoher Herr!« Rabia musste daran denken, wie furchtbar es dem blonden Arzt in den Foggara ergehen würde – ihm und seinen Freunden, doch sie zwang sich, ihre Gefühle zu unterdrücken. Sie hatte eine Aufgabe, und die musste sie durchführen. Sie musste die Sklaven nach Fez bringen. Das Schicksal der Ungläubigen durfte ihr nicht so zu Herzen gehen. Auch das des Magisters nicht, der so vieles gleichzeitig war: Jurist und Operationskundiger, Gelehrter und Geschichtenerzähler. Und Schachspieler.
    Sie drehte das Brett, so dass der Magister die schwarzen Figuren vor sich hatte. »Lass uns zu Ende spielen. Du sagtest, du würdest den Läufer ziehen. Dann tu es.«
    Ein spannender Kampf entspann sich. Rabia musste zugeben, dass ihr Gegenüber sich geschickt verteidigte. Fast wäre es ihm gelungen, dem Spiel noch eine Wende zu geben, aber am Ende obsiegte doch Weiß.
    »Meinen Glückwunsch!«, rief der kleine Mann. »Ich würde dir gern die Hand schütteln, wie es bei uns zu Hause üblich ist, aber du siehst ja selbst …« Er hob seine gefesselten Handgelenke. »Gib mir wenigstens die Möglichkeit zu einem Rückspiel.«
    Rabia war mittlerweile müde geworden, dennoch wollte sie dem Magister seinen Wunsch nicht abschlagen und gerade zustimmen, da erschien über ihnen ein Schatten. Er gehörte dem Khabir. »Ich habe dir etwas mitgebracht«, sagte der Karawanenführer, wobei er Rabia unverwandt ansah. Der Sklave schien für ihn Luft zu sein.
    »Oh, äh, ja.« Die Dienerin wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. Zwar hatte sie das Gefühl, Hadschi Abdel Ubaidi sei ihr gewogen, aber er machte ein Gesicht, als passe ihm die Anwesenheit des Magisters ganz und gar nicht. Wahrscheinlich verurteilte er jeglichen engeren Kontakt zu Sklaven.
    »Hier.« Er bückte sich und stellte ein kleines Kännchen aus Messing auf das Schachbrett, mitten zwischen die Figuren. »Im Gegensatz zu gestern Abend habe ich heute Lust auf einen heißen Minztrank. Ich wäre dir dankbar, wenn du uns beiden einen aufbrühen könntest.« Er setzte sich ebenfalls und bedachte dabei den Magister mit einem Blick, der so eindeutig war, dass ihn auch der Dickfelligste verstanden hätte.
    Der kleine Mann erhob sich. »Äh, nun ja. Es ist spät. Trinkt eure Minze nur allein, zumal ich nicht an Magen-, Darm- oder Gallenbeschwerden leide. Der Sklave geht.« Formvollendet verbeugte er sich vor Rabia. »Morgen sehen wir uns wieder. Bis dahin bin ich dein ergebener Diener.«
    Kurz darauf tranken Rabia und der Khabir heiße Minze, was angesichts der nächtlichen Kühle gut tat. Rabia war mittlerweile sehr müde, und die Unterhaltung plätscherte träge dahin. Plötzlich fuhr sie zurück. Ein heftiger, säuerlicher Gestank war herangeweht. »Bei Allah, was ist das?«
    Der Khabir hatte es auch gerochen. »Das sind nur unsere Kamele. Sie käuen wieder. Nichts riecht unangenehmer auf der Welt, so sagt man, als die Magendünste der Dromedare. Es sei denn, man ist es gewöhnt, so wie ich.«
    »Aber die Tiere liegen doch schon die ganze Zeit am gleichen Fleck?«
    »Der Wind hat gedreht, mehr nicht.«
    »Verzeih, das habe ich nicht bemerkt. Wahrscheinlich bin ich inzwischen eine verwöhnte Stadtfrau, die schon beim geringsten Geruch die Nase verzieht.« Rabia war todmüde. Sie versuchte zum wiederholten Male, ein Gähnen zu unterdrücken, doch diesmal gelang es ihr nicht. Nur gut, dass der Schleier ihre Unhöflichkeit verbarg.
    »Es war ein langer Tag«, sagte Hadschi Abdel Ubaidi, der trotzdem mitbekommen zu haben schien, wie es um Rabia stand. »Ich muss zu meinen Männern zurück und die Wachtposten kontrollieren. Sie scheinen nicht immer die Aufmerksamsten zu sein, wenn du verstehst, was ich meine.«
    »Oh,

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