Die Mission des Wanderchirurgen
sicher. Aber mit dem kleinen Geschichtenerzähler hat alles seine Ordnung. Ich wollte nur eine Partie Schach mit ihm spielen.«
»Aha, nun ja. Allah schenke dir angenehme Träume.«
»Dir auch«, entgegnete Rabia. »Und vergiss dein entzückendes Kännchen nicht.«
»Das Kännchen?« Der Khabir drehte sich noch einmal um. »Es ist ein Geschenk für dich.«
»Da …, danke.« Rabia freute sich. Noch nie hatte sie ein so hübsches Aufgussgerät besessen. Es wies fein ziselierte Ornamente auf, die sich über die gesamten Oberfläche hinzogen. Beste Handwerksarbeit. Sie hatte einen Blick für so etwas. Dennoch: Der Khabir hatte ihr schon zum zweiten Mal etwas geschenkt. Was bedeutete das? Nichts. Natürlich. Ebenso, wie es nichts zu sagen hatte, dass der Magister sie schon zum zweiten Mal besucht hatte. Oder?
In jedem Fall gefielen ihr beide Männer sehr, sehr gut.
Mit diesem Gedanken schlief sie kurz darauf ein.
Die Vormittagsstunden des nächsten Tages zogen sich endlos hin. Die Karawane bewegte sich stetig nach Süden. Ab und zu tauchte links oder rechts ein
alam
auf, einer jener aufgeschichteten Steinhaufen, die in der Wüste als Wegweiser dienen.
Auch Skelettteile kamen immer wieder ins Blickfeld. Ausgeblichene Kamelschädel, dazu Knochen, die von Tieren wie Gazelle oder Fuchs herrühren mochten, oder sogar menschliches Gebein.
Rabia war froh, dass sie derlei Dinge nicht allzu genau erkennen konnte. Außerdem tat ihr an diesem Tag das Gesäß besonders weh. Immer wieder versuchte sie, ihr Gewicht im Sattel zu verlagern, aber es half nicht viel. So hing sie ihren Gedanken nach, während vor ihr die sechs Sklaven zwischen den Kamelleibern dahinmarschierten. Sie hielten sich tapfer, das musste man anerkennen. Besonders der Cirurgicus, der noch eine Kiepe geschultert hatte. Zudem besaß er einen großen Stecken, der reihum als Wanderstab benutzt wurde. Sie sprachen kaum und stützten sich gegenseitig, wenn einer von ihnen strauchelte oder schwach wurde. Woher sie wohl die Kraft nahmen? Gab der Christengott sie ihnen?
Rabia schob den Gedanken beiseite, denn an der Spitze hatte der Khabir das Zeichen zum Halten gegeben. Erst jetzt bemerkte sie, dass zur Rechten eine Gruppe von Akazien und Palmen stand, dazu ein paar Büsche und die überall vertretenen Mimosensträucher mit ihren langen silbernen Dornen. Sie hatten den Brunnen
Umm-ba-Karia
erreicht, eine Wasserstelle, die noch vor dem Wadi des Sebu lag.
Rabia ließ ihren Hengst niederknien und stieg ab. Wie gut es tat, gehen zu können und nicht sitzen zu müssen! Ein Treiber kam heran, nahm das Tier und führte es am Nasenring zu einem der kleinen Teiche. Rabia folgte ihm langsam und beobachtete, wie allen Kamelen Kniefesseln angelegt wurden und die Tiere, das Wasser längst riechend, hastig hoppelnd zum Nass strebten. Welch seltsame Wüstengeschöpfe es doch waren! Sie standen halbkreisförmig am Rand der Wasserstelle, machten lange Hälse und tranken bedächtig mit schmatzenden Geräuschen.
»Sind sie nicht prachtvoll?« Der Khabir war an ihre Seite getreten. »Es gibt keine Kreatur, die so an die Hitze angepasst ist wie das Kamel.«
»Gewiss«, sagte Rabia, denn davon war sie ebenfalls überzeugt. Um irgendetwas hinzuzufügen, fragte sie: »Kamele können doch leicht zehn oder zwölf Tage ohne Wasser auskommen, Hadschi Abdel Ubaidi, und wir sind doch erst ein paar Tage unterwegs. Wäre es da wirklich nötig, hier Rast zu machen?«
Der Khabir nickte. »Eine berechtigte Frage. Allerdings nur von jemandem, der wie du aus der Stadt kommt. Wer dagegen wie ich eine Karawane führt, muss wissen, dass an jedem Tag, den Allah werden lässt, etwas Unvorhergesehenes passieren kann. Nimm an, wir würden hier nicht rasten, sondern weiterziehen und morgen würde die Hälfte unserer Tiere von Koliken geplagt. Oder einige würden sich wundlaufen. Oder Skorpion und Viper würden zustechen. Oder ein Sandsturm käme. Oder die nächste Wasserstelle wäre versiegt …
Das alles sind Gründe, warum eine Karawane grundsätzlich besser heute als morgen Wasser aufnehmen muss, und jedes Mal so viel wie möglich. Sieh nur, die Kamele trinken noch immer. Ein ausgewachsenes Tier kann so viel Flüssigkeit aufnehmen, wie in zwanzig große Eimer geht. Keines unter Allahs Geschöpfen ist dazu in der Lage, ausgenommen vielleicht der Elefant. Das Kamel hat dicke Schwielensohlen und schwere Hornhäute an Beingelenken und Brustkorb, damit es gefahrlos im heißen Sand niederknien
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