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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Magister und seinen Kameraden fehlte sichtlich die Kraft dazu, obwohl sie am Morgen ein gutes Quantum Wasser vom Khabir zugemessen bekommen hatten. Es war wesentlich mehr gewesen als an den letzten Tagen, das war Rabia nicht entgangen. Kurz danach, sie hatte sich bei den Sklaven nochmals vom festen Sitz der Handfesseln überzeugt, hatte der kleine Geschichtenerzähler sie schief angegrinst und ihr versichert, dass Laufen für ihn und seine Kameraden nicht das Schlechteste sei. Lange Wochen hätten sie auf der Ruderbank verbracht und sich nichts sehnlicher gewünscht, als wieder einmal gerade und aufrecht gehen zu können. Nun könnten sie es. Man müsse zufrieden sein.
    Rabia hatte in diesem Augenblick nicht gewusst, wohin sie schauen sollte, so peinlich war ihr die Situation. Schließlich war sie es gewesen, die dafür gesorgt hatte, dass der Magister, der Cirurgicus und Ngongo auf die
Yildirim
gebracht worden waren. Zum Glück jedoch schien der kleine Mann das gar nicht bemerkt zu haben, denn er sagte: »Man muss immer optimistisch sein, wer weiß, vielleicht hat uns das alte Europa ja irgendwann einmal wieder.«
    »Inschallah«
, hatte Rabia, ohne es recht zu wollen, erwidert.
    »Inschallah?«
, hatte der Magister wiederholt. »Was bedeutet das?«
    »Wenn Allah will.«
    »So? Seltsam.« Der kleine Geschichtenerzähler war nachdenklich geworden. »Erinnerst du dich? Als ich dir versicherte, der Cirurgicus und ich würden Ngongo vom Flügelfell befreien, fügte ich auf Lateinisch ›Wenn Gott will‹ hinzu:
Volente deo
und übersetzte es für dich mit ›Wenn Allah will‹.
Inschallah
und
Volente deo
 – beides also meint ein und dasselbe. Wie findest du das?«
    Rabia hatte sich umgedreht und war wieder zu ihrem Kamelhengst gelaufen.
     
    Am Abend dieses Tages lagerten sie drei Meilen östlich der Stadt Ouezzane. Es war jener Ort, an dem der Khabir mit dem weisen Mann über die Römer gesprochen hatte. Der Lagerplatz war nicht so günstig gelegen wie der vom Tag zuvor, er war flach und wenig geschützt. Rabia nahm den Schleier ab und wusch sich Gesicht und Hände. Solange die Wasservorräte noch nicht zur Neige gingen, durfte sie das Nass verwenden, bevor sie ihr Gebet sprach. Denn die Reinigung war wichtig und Teil des Rituals. War kein Wasser vorhanden, sollte der Gläubige sich mit Sand reinigen, so hatte Allah es durch den Großen Propheten verfügt.
    Sie holte ihr Schachbrett hervor und baute die Könige, die Damen, die Offiziere und Bauern auf. Nach kurzer Überlegung wählte sie eine gebräuchliche Eröffnung und zog den weißen Königsbauern zwei Felder vor. Sie ließ Schwarz auf dieselbe Weise antworten. Zug auf Zug folgte. Irgendwann drehte sie das Brett, so dass die schwarzen Figuren ihr zugewandt waren. Sie tat das, weil sie sich so eher in deren Situation hineinversetzen konnte. Dennoch war Weiß an diesem Abend besser. Schwarz hatte bereits einen Springer und einen Turm verloren, Weiß dagegen nur drei Bauern, und das, obwohl Rabia sich redlich Mühe gegeben hatte, beide Parteien gleich gut zu spielen. Doch die Lage für Schwarz wurde zusehends schwieriger. Zwei, drei glänzende Spielzüge mussten gefunden werden, sonst war der schwarze König bald schachmatt …
    »Ich würde den Läufer fünf Felder zurückziehen«, erklang plötzlich eine Stimme über ihr. Sie gehörte dem Magister. »Wenn du das nicht tust, hat Schwarz in drei Zügen verloren.«
    Rabia schreckte zusammen. Dann runzelte sie die Stirn. »Woher kommst du so plötzlich? Wieso haben die Wachtposten dich passieren lassen?«
    Der kleine Geschichtenerzähler grinste. »Nun, gestern haben sie es doch auch getan, als ich dir den Ziegenschlauch mit Wasser brachte. Und heute Abend habe ich ihnen versichert, dass die Dienerin Rabia mich braucht, und wie ich sehe, ist das tatsächlich der Fall.«
    »Kannst du wirklich Schach spielen?«
    »Verwundert dich das? Bei uns im Abendland leben nicht nur Barbaren. Auch wir schätzen dieses Denkspiel über alle Maßen. Allerdings muss ich zugeben, dass ich eine Ewigkeit nicht mehr am Brett gesessen habe. Zuletzt war es im strengen Winter 76 / 77 auf Greenvale Castle, dem Schloss meines Freundes Vitus von Campodios.«
    »Dem Schloss des Cirurgicus?«
    »Ganz genau. Gestattest du, dass ich mich setze?«
    Nur für einen Augenblick kämpfte Rabia noch mit sich, dann stimmte sie zu.
    Der Magister ließ sich ihr gegenüber nieder. »Du bist sehr schön«, sagte er langsam, und seiner Stimme war zu

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