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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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gegenseitig zu wärmen. Der Wachtposten stand daneben und murmelte einen Gruß. Ein paar Schritte entfernt schnarchten die Kameltreiber, sich äußerlich in nichts von den Sklaven unterscheidend. Sie lagen da, dunkel und verpuppt wie die Larven im Kokon. In den Händen das wichtigste Werkzeug ihrer Profession: die Kamelpeitsche – Zeichen ihres Standes und ihrer Bedeutung. Die jungen Männer hatten Peitschen aus lederüberzogenen Gerten, die Älteren, Weitgereisten, solche aus dem Schwanz des Rochens, mit rauer, zähnchengespickter Haut.
    Rabia schritt weiter und gelangte zum Zelt des Khabirs. Sie verweilte für einen Augenblick und wollte gerade wieder gehen, da wurde die Plane zurückgeschlagen, und Hadschi Abdel Ubaidi trat heraus.
    »Willst du mich heiraten?«, fragte er ruhig.
     
    Langsam kroch die Karawane über die Höhen des Dschebel-Ssala, der von Norden und Nordwesten die ehrwürdige Stadt Fez umschloss. Aus der Ferne grüßten bereits die hohen viereckigen Tore und spitzen Minarette herüber. Hadschi Abdel Ubaidi schob sich mit seinem Reittier neben Rabias Kamelhengst. »Heute Abend sind wir da, du Orchidee des Orients«, sagte er so leise, dass niemand es hören konnte. Seit Rabia seine Frage, ob er sie heiraten wolle, mit Ja beantwortet hatte, war er der stolzeste Mann auf Allahs weiter Erde.
    »Ich kann es kaum erwarten«, erwiderte Rabia mit einem Seufzer. Auch sie fühlte Glück, denn die Bestimmung einer jeden Frau war es zu heiraten, und da sie mittlerweile schon siebzehn Jahre zählte, hatte sie sich in letzter Zeit oftmals gefragt, ob sie überhaupt noch einen Mann bekäme. Gewiss, sie war kurz davor gewesen, dem kleinen Geschichtenerzähler schöne Augen zu machen, denn er war unterhaltsam und gescheit, aber selbstverständlich wäre er als Ehemann niemals in Frage gekommen. Ein Ungläubiger an ihrer Seite – undenkbar. Da könnte sie gleich freiwillig in Satans Höllenfeuer springen Nun aber hatte der Khabir um sie gefreit, ein frommer Mann, dem allseits Achtung entgegengebracht wurde, der weit in der Welt herumgekommen war, der sogar ein eigenes Haus in Tanger besaß. Mit seinen neununddreißig Jahren war er zwar nicht mehr der Jüngste, doch mit jedem Jahr, das ein Mann älter wurde, gewann er an Achtung und Würde.
    »Ich hoffe, Fez wird dir gefallen«, sagte Hadschi Abdel Ubaidi. »Es ist eine laute, quirlige Stadt. Ich war schon viele Male dort. Auch wenn du es kaum glauben wirst, außer dem Hafen dürftest du in Fez alles das finden, was du aus Tanger kennst. Das und mehr. Denn die heiligen Stätten der Stadt ziehen alljährlich viele Tausend Pilger an. Allein deshalb blüht allerorten das Geschäft. Aber leider auch der Diebstahl. Ich werde deshalb noch einmal meinen Männern einschärfen, gut auf ihre wenigen Habseligkeiten zu achten – und auch selbst die Finger nicht lang zu machen. Die Strafen, die der Kadi verhängt, sind oftmals streng. Für kleine Diebstähle wird die linke Hand abgehackt, bei einem Rückfall auch die rechte. Hat der Dieb keine Hände mehr, kommen die Füße an die Reihe, und …«
    Der Khabir unterbrach sich, denn er sah Rabias schreckgeweitete Augen. »Verzeih, meine Orchidee, ich wollte dir keine Angst machen. Fez ist nicht so übel, wie es eben klang, eine kleine Geschichte beweist das. Sie ist nicht aus
Alf laila waleila
und hat deshalb sogar den Vorzug, wahr zu sein. Jedenfalls wird das immer wieder behauptet. Möchtest du, dass ich sie erzähle?«
    »Gern, Hadschi Abdel Ubaidi.«
    »So höre denn: Es war in Fez vor langer, langer Zeit. Die Begebenheit liegt so weit zurück, dass heute niemand mehr zu sagen vermag, welcher Sultan damals an der Macht war. Vielleicht geschah es sogar noch vor der Herrschaft des großen El-Malei Edris, dessen Grabstätte du schon morgen aufsuchen kannst. Nun, der eben genannte Sultan war ein milder und überaus großzügiger Regent, weshalb er eines Tages vielen seiner Sklaven die Freiheit schenkte. Unter diesen Sklaven war auch ein Neger, Yussuf mit Namen, der sich durch besondere Klugheit und Tapferkeit auszeichnete. Endlich ein freier Mann, trat Yussuf alsbald den Truppen des Sultans bei, wo er schnell aufstieg und zum Kaid, zum Hauptmann, befördert wurde. Daran ist noch nichts Besonderes, magst du jetzt einwenden, es gibt viele gute Soldaten, und warum soll ein tüchtiger Krieger nicht auch schwarz sein, doch mit Yussuf hatte es eine eigene Bewandtnis. Es gelang ihm nämlich ob seiner großen Beliebtheit, seinen

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