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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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ab. Bleib, wo du bist. Ich muss noch einmal in Geschäften fort. Wenn ich wiederkomme, würde ich gern heiße Minze mit dir trinken. Kannst du dafür sorgen?«
    »Ja, gern, Hadschi Abdel Ubaidi.«
    Der Khabir begab sich hinaus auf die Straße in das Häusermeer der Altstadt, hinein in die drangvolle Enge, denn abgesehen von den großen Plätzen und der Kessaria, dem Handelszentrum von Fez, gab es nur Gassen und Gässchen. Letztere waren so schmal, dass zwei ausgewachsene Männer sich in ihnen nur mühsam aneinander vorbeischlängeln konnten. Lediglich eine große Straße gab es, von der spinnwebartig unzählige Pfade abgingen. Diese Straße steuerte der Khabir an, und als er sie erreicht hatte, musste er erst einmal ein Tuch vor Mund und Nase binden. Auch an diesem Abend machte die Stadt ihrem Ruf, die staubigste im Königreich
al-Mamlaka al-Maghribijja
zu sein, alle Ehre. Er blickte auf seine schönen, völlig eingemehlten Schnabelschuhe hinab und wünschte sich, er besäße ein Paar der landestypischen Holzklötze, die der Einheimische zusätzlich unter der Sohle zu befestigen pflegte.
    Es half nichts, er musste weiter. Wenig später bog er links in ein Seitengässchen ab und blieb alsbald vor einer dreistöckigen Häuserfassade stehen. Die Wand wirkte abweisend wie alle hier, denn keine Behausung wies Fenster zur Straßenseite auf. Er klopfte an einer starken, mit Silber- und Messingornamenten beschlagenen Tür und rief: »Ich bin es, Hadschi Abdel Ubaidi.«
    Ein Diener öffnete ihm. »Sei willkommen. Der Herr erwartet dich schon.« Er führte den Gast durch einen gekrümmten Gang in das Innere des Hauses, passierte den nach oben offenen Hofraum, in dessen Mitte Wasser sprudelte, und blieb schließlich vor einer eichenen Holztür stehen. »Der Herr erwartet dich schon«, sagte er abermals und machte eine einladende Geste.
    »Salam alaikum, as-Salama, as-Salamu alaikum«,
sagte der Khabir förmlich, nachdem er den Raum betreten hatte. »Ich grüße dich, Hadschi Moktar Bônali.«
    »Salam«,
erwiderte Sîdi Moktar kurz. Er war ein zierlicher Mann, der im schwachen Schein zweier goldschimmernder Laternen noch zierlicher wirkte. Und das, obwohl er ein prächtiges, bunt gestreiftes Hausgewand und jene runde rote Kopfbedeckung trug, die nach dem Namen der Stadt benannt worden war: Fez. Sein Äußeres und sein Auftritt signalisierten jedermann, dass er ein überaus erfolgreicher Handelsherr war. »Allah verlieh dir auf deiner Reise keine schnellen Beine.«
    Der Khabir schwieg.
    Der Hausherr besann sich auf seine Höflichkeit. »Nimm erst einmal Platz, mein Freund. Die Neugier übermannte eben meine Zunge. Darf ich dir einen kühlen Trunk anbieten? Warte, ich schicke nach dem parfümierten Orangenwasser, das trinkst du doch so gern.«
    Nachdem er den Diener mit der Bestellung beauftragt hatte, lehnte er sich bequem zurück und nahm ein paar tiefe Züge aus der Wasserpfeife. »Hast du ebenfalls Lust auf die Shisha? Das neue Opium aus Cathai ist vorzüglich, ich kann es nur empfehlen. Es gibt beim Inhalieren überaus angenehme Gedanken.«
    »Nein, nicht heute.« Der Kabir blickte sich um. Was er sah, zeigte ihm, dass sein Freund Moktar im letzten Jahr wieder um ein erkleckliches Stück reicher geworden war. Dafür sprachen die mit goldenen Fäden durchwirkten Seidenkissen, die sich wie ein Meer über den Fußboden ergossen. Die wenigen Quadratzoll, die sie nicht bedeckten, ließen kostbare Fliesen erkennen, winzige Sternformen, kunstvoll lasiert und nach strengem geometrischem Muster verlegt. An den Wänden hingen kostbare Teppiche aus der Heimat Chakir Efsânehs. Sie wurden in ihrem Wert nur noch übertroffen von zwei aus reichem Schnitzwerk bestehenden Ebenholzschränken, deren Perlen- und Edelsteinintarsien schon beim kleinsten Flackern der Laternen hell aufblitzten. Die Decke war niedrig und von lapislazuliblauer Farbe, unterbrochen von goldenen Arabesken und Sprüchen aus dem Koran.
    »Das Orangenwasser duftet köstlich.« Hadschi Abdel Ubaidi nahm dem Diener die Erfrischung aus der Hand und trank einen Schluck.
    »Die Orangenernte war dieses Jahr gut. Wir hatten viel Wasser.«
    »Das freut mich.«
    Sîdi Moktar wischte sich über die Lippen und nahm einen neuen Zug. Das Wasser in der Pfeife blubberte. »Ich hoffe, du hattest eine angenehme Reise?«
    »Allah war mit uns.« Der Khabir überlegte, ob er von seiner beabsichtigten Heirat und von den Sklaven berichten sollte, doch er unterließ es zunächst. Mochte die

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