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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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verhelfen …
    Von derlei angenehmen Gedanken beflügelt, fragte der Khabir: »Sage mir, mein Freund, wie geht es eigentlich Aziz el-Mamud?«
    »Aziz el-Mamud?«, fragte Sîdi Moktar zerstreut zurück, denn er beschäftigte sich erneut mit der Lupe, hielt sie über die Seiten des Korans, bald mit diesem, bald mit jenem Abstand, murmelte vor sich hin, rezitierte teilweise laut, bis er schließlich strahlend verkündete: »Ich glaube, vier bis fünf Zoll sollten es schon sein – das ist die ideale Entfernung!«
    Hadschi Abdel Ubaidi wiederholte seine Frage.
    »Ach, du meinst den Oberaufseher der Palmenhaine?«
    »Genau den. Wie du weißt, dient er Sîdi Chakir ebenso wie ich. Mir wurde gesagt, dass er die Haine meines Herrn auf das Doppelte vergrößert habe, was wiederum einen Ausbau der Foggara bedingt.«
    Sîdi Moktar, der zierliche Handelsherr, riss erstaunt die Augen auf. »Ja, weißt du das denn nicht? Ach, du kannst es ja nicht wissen. Es passierte vor einer Woche, und da warst du noch auf dem Weg hierher. Aziz el-Mamud ist tot.«
    »Was sagst du da?« Jetzt war es am Khabir, die Augen erstaunt aufzureißen. »Das kann nicht sein. Er war doch noch jung, keine dreißig!«
    »Es war ein Unfall. Wie du richtig sagtest, musste er dafür sorgen, dass die Vergrößerung der Foggara in Angriff genommen wurde. Zu diesem Zweck nahm er sich ein paar der Arbeitssklaven und begab sich in die Schächte, um Einzelheiten zu besprechen. Dann passierte es. Plötzlich stürzten Erdmassen herab und begruben ihn. Er muss jämmerlich erstickt sein. Übrigens sagen einige, er wäre der Einzige gewesen, der ums Leben kam, weshalb schon das eine oder andere Gerücht aufkeimte. Aziz el-Mamud war nicht sonderlich beliebt, wie dir bekannt sein dürfte.«
    »Soso.« Der Khabir strich sich über den Bart. Er war tief in Gedanken versunken. »Der Oberaufseher ist also tot. War er wirklich der Einzige, der erstickte?«
    »Wer will das so genau wissen. Die Gerüchteküche brodelt. Vielleicht sind auch ein paar von seinen Sklaven mit ums Leben gekommen. Wenn ja, würde kein Hahn nach ihnen krähen. Warum fragst du?«
    »Ach, nur so.« Hadschi Abdel Ubaidi beschloss, das Thema zu wechseln. »Wie du weißt, mein Freund, hat das Kismet für mein Leben kein Eheglück vorgesehen. Bisher jedenfalls. Meine erste Frau Aischa starb an einem Eiterzahn, das liegt jetzt neunzehn Jahre zurück, und meine zweite Frau Safa starb mit unserem Sohn im Kindbett.«
    »Ja, ich erinnere mich. Mir kommt es vor, als sei es erst gestern gewesen. Mit jedem Jahr, das wir älter werden, lässt Allah die Zeit schneller verstreichen.« Sîdi Moktar begann überflüssigerweise die Lupe zu putzen. »Aber du sagtest ›bisher jedenfalls‹, was meintest du damit? Hast du etwa auf deine alten Tage noch einmal vor …«
    »Das habe ich«, unterbrach der Khabir lächelnd. Seine Stimme bekam einen weichen Ton, als er weitersprach: »Ich werde heiraten, vorausgesetzt, die Herrin Âmina und Sîdi Chakir sind einverstanden.«
    »Was, dein Gebieter und seine Gemahlin müssen einverstanden sein? Nun, lass mich überlegen, da beide keine Kinder haben, muss es sich bei deiner Braut um eine Frau handeln, die in ihren Diensten steht, stimmt’s?«, schloss Sîdi Moktar messerscharf. »Wer ist es denn? Kenne ich sie? Heraus mit der Sprache!«
    »Sie heißt Rabia und ist, wie du richtig vermutest, eine der Dienerinnen Âminas.«
    »Dann kenne ich sie nicht. Ist sie hübsch?«
    »Sie hat die schönsten, sanftesten Augen der Welt. Sie ist klug, und sie ist jung. Sie wird mir, so es Allah gefällt, viele stramme Söhne gebären.«
    Sîdi Moktar sprang auf, umarmte seinen Freund und küsste ihn auf beide Wangen. »Das ist aber mal eine gute Nachricht! Hast du den Hochzeitstermin schon geplant? Ach, natürlich nicht, erst einmal muss die Genehmigung von Chakir her. Komm, lass dich nochmals küssen!«
    Er setzte sogleich seine Absicht in die Tat um und drängte: »Nun erzähle doch mehr von ihr!«
    Der Khabir zögerte. Zum ersten Mal wurde ihm bewusst, dass er im Grunde nicht sehr viel über seine Zukünftige wusste. Deshalb sagte er: »Nun, ich weiß, dass sie siebzehn Jahre zählt und im Hauspalast der Herrin wohl gelitten ist. Sie hat ein sanftes Wesen, einen klaren Verstand, kann lesen und schreiben und beherrscht überdies das Schachspiel.«
    »Was? Schach spielen kann sie auch?« Sîdi Moktar drohte scherzhaft mit dem Finger. »Sieh nur zu, dass du dir keine Neunmalkluge in deine vier

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