Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
Vom Netzwerk:
Tage, dann schwillt das Ei wieder an, nur Allah weiß, warum, und wieder bildet sich Flüssigkeit, egal, wie oft man sie abzapft.«
    »Ich verstehe«, nickte Vitus. »Dem muss ein Ende gemacht werden.«
    »Ja«, seufzte Furqan. »Der Starstecher meint, es wäre am besten, das Ei ganz rauszunehmen, aber ich bin doch erst sechzehn, und ich will nicht schon jetzt als halber Eunuch rumlaufen. Kannst du mir helfen, Cirurgicus?«
    »Hier, ich habe das Kapitel aufgespürt!«, rief in diesem Augenblick der Magister. »Ich hoffe, du findest bei Vesalius, was du suchst.« Er hielt Vitus das schwere Werk unter die Nase.
    In der Tat hatte Pater Thomas, der Verfasser des Buches, einige Zeichnungen von Vesalius übernommen. Sie zeigten den Genitalbereich des Mannes und hier besonders das Skrotum mit Hoden und Nebenhoden und den umliegenden Strängen und Leitern. Aus einer Extrafigur, die eine Vergrößerung zeigte, ging hervor, dass der Hoden von einer Art Eihaut umgeben war und dass zwischen dem Hoden und dieser Hülle ein bestimmter Saft auftrat. Seinen Bestimmungszweck kannte niemand, Vitus vermutete aber, dass er keine besondere Funktion hatte. Geriet jedoch dieser Saft, und darin schienen alle alten Meister einig zu sein, in Disharmonie, war die Folge davon eine stetige Zunahme der Flüssigkeitsmenge.
    »Kannst du mir helfen, Cirurgicus?«, fragte der Jüngling abermals.
    »Ich werde es versuchen. Allerdings nicht allein. Der Magister wird mir zur Hand gehen.« »Komm, du Unkraut, sorge dafür, dass die Operationsstelle frei wird.«
    »Mach ich, mach ich.« Der Magister schlang Furqan eine Schnur um den Leib und band ihm damit den Penis hoch.
    Vitus griff in seinen Instrumentenkasten und holte das Laudanum und einen Zinnlöffel hervor. Er gab etwas von der Droge auf den Löffel und flößte sie dem Jüngling ein.
    Furqan schüttelte sich. »Brrr, was ist das, Cirurgicus?«
    »Etwas, das dich beruhigt und dir die Schmerzen nimmt.« Er kniete zwischen den Beinen seines Patienten nieder und befühlte nochmals den Wasserbruch, um genau festzustellen, wo Flüssigkeit und wo Hoden war. Als Wissenschaftler fragte er sich, wie viel des disharmonischen Saftes wohl in welcher Zeit produziert wurde. Laut sagte er: »Wenn der Eingriff so abläuft, wie ich es mir vorstelle, ist alles nur halb so schlimm.«
    »Aber du nimmst mir das Ei nicht ab?«, vergewisserte sich Furqan.
    »Das verspreche ich dir.«
    »Ich habe gehört, dass die Eier was mit der Zeugungskraft des Mannes zu tun haben; wer sie nicht mehr hat, kann auch keinen Samen mehr verspritzen.« Furqan war noch immer nicht ganz beruhigt.
    »Du wirst nach wie vor über beide Hoden verfügen, und dein Same wird fließen.« Vitus beschloss, dem Jüngling die Besorgnis zu nehmen, indem er ihm etwas über die Natur der menschlichen Zeugungsflüssigkeit erzählte. »Der männliche Same ist nichts anderes als reifes Blut, wobei gesagt wird, dass der beste Same wohltemperiert ist. Wenn er aber zu dünn oder zu dick das Glied verlässt oder seine Farbe verändert hat, so ist er verdorben. Dies jedenfalls ist die Meinung des großen Hippokrates.«
    Furqan lauschte interessiert. »Wer ist dieser Hippokrates?«
    »Hippokrates lebt schon lange nicht mehr. Er war ein griechischer Arzt, der vor rund zweitausend Jahren wirkte. Seine Erkenntnisse waren so umwälzend, dass er als Begründer der wissenschaftlichen Medizin gilt.«
    »Nie gehört.«
    »Das glaube ich dir.« Vitus drückte etwas fester gegen den Wasserbruch. »Tut das noch weh?«
    »Kaum, Cirurgicus.«
    »Sehr gut.« Die Wirkung des Laudanums schien einzusetzen. »Doch zurück zum Samen: Das Kennzeichen dafür, dass er nichts anderes ist als reifes Blut, besteht darin, dass derjenige, der zu viel bei den Frauen liegt, Samen verliert, der wie Blut aussieht.«
    »Und wie und wo entsteht der Same?«, warf der Magister ein. Auch er hörte gespannt zu.
    »Der Same entsteht im ganzen Körper, fließt von jedem Punkt des Leibes zu den Rückenwirbeln hin, strömt von dort in die beiden Nieren und weiter in die Hoden, danach in das männliche Glied und vermischt sich letztendlich in der Gebärmutter mit dem Samen der Frau, so dass aus beiden zusammen das Kind erzeugt wird.«
    Abermals drückte Vitus auf die Hydrozele und fragte, ob Furqan das noch spüre. Als dieser verneinte, beendete er zufrieden seine Ausführungen.
    »Sobald der Same zur Gebärmutter gelangt, nimmt sie ihn in sich auf. Daraufhin verändert er sich. Er wird nach dem sechsten

Weitere Kostenlose Bücher