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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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andere. Rasch verteilte er sie auf der Wundnaht und deckte sie mit sauberem Leinen ab. »Das nächste Mal kannst du die Stelle selber einreiben, ich überlasse dir dazu eine kleine Menge in diesem Töpfchen. Trage die Salbe zweimal täglich morgens und abends in den nächsten sieben Tagen auf. Dann dürfte alles überstanden sein. So, und nun kannst du die Hose wieder hochziehen. Zum Glück ist sie im Schritt sehr weit, so dass sie nicht scheuert.«
    Furqan tat, wie ihm geheißen, und stammelte: »Danke … danke, Cirurgicus!« Eine tiefe Verbeugung schloss sich an.
    »Auch ich danke dir, Cirurgicus!« Sîdi Moktar war überraschend dazugestoßen. Er hatte es sich nicht nehmen lassen, zur Dachterrasse heraufzusteigen und persönlich nach seinem Diener zu sehen. »Und dir, Magister, ebenfalls. Allah scheint eure Hände geschickt geführt zu haben.«
    »Wir haben gern geholfen, nicht wahr, Magister?«, sagte Vitus.
    »Ja, ja, das haben wir«, bestätigte der kleine Gelehrte. »Die Rettungsaktion ist vollauf gelungen.«
    »Wie?« Der zierliche Handelsherr stutzte. »Sagtest du eben Rettungsaktion? Das ist gut. Das ist sogar sehr gut!«
    »Wie meinst du das?«, fragte Vitus.
    Sîdi Moktar strahlte. »Nun, der Name Furqan bedeutet in eurer Sprache nichts anders als Rettung.«
     
    Am selben Abend bat Sîdi Moktar die Freunde wie immer an seine Tafel. Doch an diesem Tag lag etwas Besonderes in der Luft. Etwas war anders, und zwar nicht nur die Speisen, die noch ausgesuchter und noch köstlicher waren als sonst.
    Nachdem die Schüssel mit dem parfümierten Wasser reihum gegangen war und jeder seine Hände hineingetaucht hatte, um sie zu reinigen, sprach Sîdi Moktar:
»Bi’sm milah Allah rachman rachim.«
Dann deutete er auf ein silbernes Tablett, auf dem kleine Spieße mit zart gerösteten Fleischklümpchen lagen. »Rotdrosseln, meine Freunde. Greift zu. Ich freue mich, sie heute Abend anbieten zu können. Leider sind diese fliegenden Leckerbissen nicht immer zu haben, normalerweise nur in den kühleren Monaten, wenn in Europa Winter herrscht, doch einige Exemplare haben es diesmal vorgezogen, hier zu bleiben und in meiner Küche zu landen.«
    Zögernd probierten sie. Fasanen, Wachteln, Rebhühner kannten sie, doch Drosseln waren ihren Gaumen fremd. Umso angenehmer war der zartknusprige Geschmack der Vögel. »Eigentlich schade um die schönen Sänger«, meinte der Magister, während er einen weiteren Bissen nahm, »aber jedes Geschöpf auf dieser Welt hat sein von Gott bestimmtes Schicksal, und das dieses kleinen Vogels war es, von mir verspeist zu werden.«
    Sîdi Moktar nickte. »Dasselbe sagen wir von Allah. Auch er bestimmt alles im Voraus. Und für euch und mich, meine Freunde, hat er entschieden, dass wir morgen gemeinsam Fez verlassen. Wir werden zusammen nach Oran reisen.«
    »Das ist aber mal eine Überraschung!«, platzte der Magister heraus. »Doch ich habe es schon die ganze Zeit gespürt, mein hoch geschätzter Gastgeber, dass du etwas im Schilde führst. Dies ist kein normaler Abend!«
    »Nein, es ist euer letzter hier. Und meiner auch, zumindest für längere Zeit. Deshalb hat mein Küchenmeister noch einmal all seine Kunst aufgeboten, um euch den Abschied zu versüßen. Versucht auch das gefüllte Täubchen und die Hammelstückchen im Weinblatt. Oder steht euch der Sinn nach dem mit Butter übergossenen Reis? Auch Fisch wäre noch da und Antilopenlende vom Fuße des Rifgebirges.«
    Doch weder der Magister noch Vitus oder die anderen waren in der Lage, jetzt ans Essen zu denken. Zu aufwühlend war die Neuigkeit, sie würden am anderen Tag endlich fortkommen. Oran, das wussten sie, war eine große Stadt an der Küste des Mittelländischen Meeres, weit im Osten von Fez gelegen und wesentlich näher ihrem eigentlichen Ziel, dem Norden der Halbinsel Italien mit der alten Universitätsstadt Padua. So bestürmten sie ihren Gastgeber mit Fragen über Fragen, die Sîdi Moktar bei weitem nicht so schnell beantworten konnte, wie sie gestellt wurden. Am Ende aber war klar, dass der Handelsherr Hadschi Moktar Bônali beabsichtigte, mit großem Gefolge nach Oran zu reisen, um dort Geschäfte zu machen. Das Gefolge sollte aus der Dienerschaft, dem Koch mit seinen Gehilfen, Kamelknechten und einem Dutzend Soldaten bestehen, nicht aber aus dem Harem. Die vier Frauen des Gastgebers sollten daheim bleiben, denn der Hausherr wollte schnell reisen, und die Teilnahme der Damen stand diesem Ansinnen schon auf Grund der

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