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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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nun.«
    Die Freunde erhoben sich und wünschten eine gute Nacht.
    »Gute Nacht, möge Allah der Allesvorauswissende euch angenehme Träume schenken.«
     
    Mehrere Tage waren seit diesem Abend vergangen, eine Zeit, in der Sîdi Moktar viel unterwegs war und sich kaum in seinem Hause blicken ließ. Nicht dass er deshalb seine gastgeberischen Pflichten vernachlässigt hätte – er bat die Freunde nach wie vor regelmäßig an seinen Tisch –, doch was aus ihnen werden sollte, sprach er mit keiner Silbe an.
    Was hatte der zierliche Handelsherr vor? Vitus und seine Gefährten wurden immer unruhiger.
    An einem Vormittag, es war gottlob nicht so heiß wie in den vergangenen Tagen, da ein paar Wolken am Himmel standen, sagte Sîdi Moktar: »Cirurgicus, heute Morgen sprach mich einer meinen jungen Diener an – sein Name ist übrigens Furqan –, er habe seit Monaten ein Problem im, nun, äh, im Bereich seiner Männlichkeit. Er sagt, er sei damit bislang zu einem Starstecher gegangen, aber auf die Dauer könne der ihm keine Linderung verschaffen.«
    »Was hat Furqan denn?«
    »Wenn ich das wüsste! Es fällt ihm offenbar schwer, darüber zu reden, und ich gestehe, auch mir ist das Thema etwas peinlich. Aber er bat mich so inständig, mich bei dir für ihn zu verwenden, dass ich nicht nein sagen konnte. Wirst du dich seiner annehmen?«
    »Aber gern. Ich hoffe nur, ich kann ihm helfen.«
    »Nachdem ich neulich die Vielfalt deiner Instrumente bewundern durfte, bin ich mir fast sicher. Ich habe Furqan vorsorglich schon auf die Dachterrasse geschickt, da ich annehme, dass du für deine Untersuchung gutes Licht brauchst.«
    Vitus lächelte. »Das war sehr umsichtig von dir. Doch einen Augenblick wird sich mein Patient noch gedulden müssen. Ich will zuvor meine Hände waschen und dann meine Ausrüstung holen. Auch will ich den Magister bitten mitzukommen, falls seine Assistenz vonnöten ist.«
    Es dauerte nicht lange, da standen Vitus und der kleine Gelehrte einem sichtlich verlegenen jungen Mann gegenüber. »Du bist sicher Furqan«, begann Vitus das Gespräch.
    »Ja, Cirurgicus.«
    »Hab keine Angst. Erzähle mir, was zu deinen Aufgaben im Hause von Sîdi Moktar gehört.«
    Furqan gehorchte, und während er sprach, stellte Vitus mit Genugtuung fest, dass der Junge seine Verlegenheit ablegte und selbstsicherer wurde. Schließlich sagte er: »Und nun zu deinen Beschwerden. Wie äußern sie sich?«
    Furqan, eben noch entspannt, wurde abermals nervös.
    Vitus wiederholte seine Frage.
    Schließlich druckste der Jüngling hervor: »Ich … Herr, mein Ei, es wächst … immer wieder wächst es!«
    »Du meinst einen deiner Hoden? Lass mal sehen.«
    Aber Furqan zierte sich noch immer, vielleicht hatte er auch Angst, jedenfalls kam er der Aufforderung nicht gleich nach, und der Magister sagte ungeduldig: »Nun mal herunter mit der Hose, mein Sohn, wir sind hier unter Männern, du hast nichts, was wir nicht auch haben. Setz dich da auf die Kiste.«
    Das kam einem Befehl gleich, und Befehlen zu gehorchen, war der Jüngling gewöhnt. Sofort zog er die Pluderhose herunter, setzte sich und spreizte die Beine.
    »Donnerwetter!«, entfuhr es Vitus, als er der Abnormität zwischen Furqans Schenkeln ansichtig wurde. »Dein linker Hoden ist gewaltig angeschwollen. Es sieht so aus, als hättest du das, was die Ärzte als
Hydrozele
bezeichnen, auch Wasserbruch genannt. Magister, sei so gut und schlage im Buch
De morbis
das Kapitel von Vesalius auf, während ich Furqan weiter untersuche.«
    Er tastete behutsam die Schwellung ab und hatte das Gefühl, als berühre er das pralle Euter einer Kuh. »In deinem Hoden hat sich eine große Menge Flüssigkeit angesammelt«, sagte er. »Das ist gewiss nicht von heute auf morgen passiert. Wie lange hält dieser Zustand schon an?«
    »Ach, Cirurgicus!«, stöhnte der Jüngling, »bestimmt schon ein ganzes Jahr. Ich bin alle zwei Wochen zum Starstecher hin, damit er reinpiekt. Sonst wär das Ei bestimmt schon geplatzt.«
    Vitus lief ein Schauer über den Rücken. Als Mann konnte er gut nachempfinden, wie unangenehm diese Prozedur sein musste. Es waren mindestens zehn Einstiche auf dem Skrotum zu erkennen, und alle waren mehr oder weniger rot entzündet. »Was macht der Starstecher genau?«
    »Ach, er nimmt eine Lanzette, sticht rein und ritzt das Ei auf. Dann spritzt eine Menge Flüssigkeit raus. Es tut furchtbar weh, doch es ist auch eine Erleichterung, weil der Druck weg ist. Aber es dauert nur ein paar

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