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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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prasselnden Lagerfeuer und ließ sich die Köstlichkeiten, die seine bemühte Dienerschaft ihm pausenlos aufnötigte, munden. »Weißt du, Cirurgicus«, sagte er, »ich habe mir überlegt, dass wir es auf unserer Reise wie bei Tausendundeiner Nacht halten könnten. Wir sind zwar nur acht oder neun Tage unterwegs, dennoch könnten wir abwechselnd abends eine Geschichte zum Besten geben. Heute Abend will ich als Erster Schehrezâd sein. Ich will euch die lehrreiche ›Geschichte von dem Frommen und seinem Butterkrug‹ …«
    »Verzeih, wenn ich unterbreche, mein Freund«, sagte Vitus, »aber wer ist Schehrezâd?«
    »Ach, das könnt ihr ja nicht wissen. Nun, es handelt sich dabei um die schöne Erzählerin von
Alf laila waleila.
Ihr Zuhörer war der König Schehrijâr, der die grausame Angewohnheit hatte, sich jeden Tag aufs Neue mit einer Jungfrau zu vermählen und sie am nächsten Tag zu enthaupten, da er bereits nach einer Nacht ihrer überdrüssig geworden war. Die kluge Schehrezâd indessen verstand es, mit ihrer Erzählkunst den König so zu fesseln, dass er sie nicht tötete. Geschickt, wie sie war, ließ sie stets das Ende des Märchens offen und versprach, es am anderen Abend zu erzählen. Auf diese Weise kamen tausendundeine Nacht zusammen. Danach zeigte Schehrezâd dem König die drei Söhne, die sie ihm in dieser Zeit geboren hatte. Schehrijâr war daraufhin höchst entzückt, bewunderte ihre Klugheit und ließ sie am Leben.
    Nun aber zu meiner Geschichte aus Tausendundeiner Nacht: Ich habe sie gewählt, weil sie sehr lehrreich ist und weil die Geschichten von Sindbad dem Seefahrer oder ’Alâ ed-Dîn und seiner Wunderlampe schon recht bekannt sind. Wisset also, dass einst ein frommer Mann lebte, der nichts hatte, was er sein Eigen nennen konnte, und deshalb von einem der Vornehmen aufgenommen worden war. Dieser gab ihm täglich einen Laib Brot und dazu etwas zerlassene Butter. Die Butter aber war teuer in jenem Lande, weshalb der Fromme sie sich aufsparte und in einem Krug sammelte. Doch je voller der Krug wurde, desto größer wurde auch die Angst des Frommen, er könne gestohlen werden. Er hängte ihn deshalb in Kopfhöhe auf und setzte sich, bewaffnet mit einem Stab, darunter. Und wie er so dasaß, begannen seine Gedanken zu wandern. Die teure Butter, so dachte er, will ich gegen einen guten Preis verkaufen, und von dem Erlös erwerbe ich ein Schaf. Das Schaf will ich einem Bauern geben, damit übers Jahr ein Bocklamm und ein Schaflamm zur Welt kommen, und von diesen wieder weitere und weitere, bis ich eine große Herde habe. Dann will ich die Herde verkaufen und einen Garten erwerben und ein herrliches Schloss darin bauen. Auch will ich Kleider und Sklaven kaufen und mich mit der Tochter des reichsten Kaufmanns vermählen. Ich will eine Hochzeit feiern, Vieh schlachten und üppige Speise und Zuckerwerk bereiten lassen, Spielleute, Akrobaten und Künstler einladen, bis alle mich loben. Zuletzt will ich zu meiner jungen Frau gehen, wenn sie entschleiert ist, und mich an ihrer Weiblichkeit ergötzen. Bald wird sie guter Hoffnung sein und einen Knaben gebären, den ich nach bestem Wissen erziehen will. Wenn er gehorcht, will ich ihn reich beschenken, wenn er jedoch widerspricht, will ich ihn mit meinem Stab züchtigen.
    Und er sprang auf, um seinen Sohn mit dem Stab zu schlagen, und traf den Butterkrug, der über ihm hing. Der Krug zerbrach in tausend Stücke, und die Butter floss an ihm herab, so dass er einen jämmerlichen Anblick bot. Die Wirklichkeit hatte ihn eingeholt.
    Tja, meine Freunde, so lautet die Geschichte von dem Frommen und seinem Butterkrug. Sie stammt aus der Neunhundertundzweiten Nacht, und sie lehrt uns, dass, wer zu viel will, am Ende gar nichts bekommt.«
    »Wui, Buntmann, die Geschicht mit dem Ohrhansel un dem Streichling tut mir lenzen!«
    »Ja, eine weise Lehre, die sich uns hier offenbart«, bestätigte auch der Magister, der satt und zufrieden am Feuer saß. »Aber erlaube mir die Frage, Sîdi Moktar, ob du selbst dich nach ihr richtest. Willst du nicht auch zu viel, wenn du noch die Märkte von Oran zu erobern gedenkst?«
    Der zierliche Handelsherr stutzte für einen Moment. Dann lachte er: »Eine ebenso gute wie offene Frage, mein Freund. Die Antwort ist nein. Der Fromme wollte das Unmögliche, wofür Allah der Allgegenwärtige ihn flugs bestrafte. Ich jedoch versuche das Mögliche, und diesen Unterschied kennt Allah, der Gepriesene und Erhabene, genau.«
    »Das leuchtet

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