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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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selbst waren ziemlich heruntergekommen, denn Stout, der Geizhals, sparte an allen Ecken und Enden, natürlich auch an guter Kost.«
    »Richtig«, fiel der Magister ein, »und das galt ebenso für seine Passagiere, nämlich für uns und die beiden Damen Phoebe und Phyllis, die nebenbei gesagt nicht unbedingt als Damen anzusehen waren, sondern eher als Hafenschwalben – wenn du verstehst, was ich meine.«
    »Sogar am vierundzwanzigsten Dezember, dem Tag, an dem wir Christen den Heiligen Abend begehen«, fuhr Vitus fort, »drückte Stout sich um ein gutes Essen und ließ durch den Zwerg
Portable soup
auftischen.«
    »Was ist das?« Sîdi Moktar blickte interessiert.
    »Das haben wir uns auch gefragt. Und bekamen zur Antwort: ›
Portable soup
ist eine äußerst segensreiche Erfindung und von daher trefflich geeignet, auf einer weihnachtlichen Tafel zu stehen‹, so die Worte des Geizhalses. Auch schien er völlig zu übersehen, daß sein verschrammter Mahagonitisch mit den billigen Talgkerzen keineswegs festlich, sondern eher spartanisch wirkte. Dann sprach er beschwingt weiter: ›Ganze Wagenladungen an
Portable soup
werden in London und anderen Häfen hergestellt. Man nimmt dazu Fleischreste, meistens vom Rind oder Schwein, sodann reichlich Knochen, Knorpel, Sehnen, Hufe, Augen und anderes und kocht das Ganze zu einem dicken Gallert ein, welches anschließend in Formen gegossen wird.‹«
    »Pfui!«, rief der zierliche Handelsherr empört. »Vom Schwein! Nicht zu fassen! Damit hatte er sich nicht nur zum Verräter am Salz gemacht, er hatte auch Allah verhöhnt. Ich wette, dafür musste er eine schwere Strafe auf sich nehmen!«
    »Das musste er. Ich will es gleich erzählen. Aber zuvor verrate mir, was bedeutet der Ausdruck ›Verräter am Salz‹?«
    »Das weißt du nicht? Es heißt nichts anderes, als dass Stout ein Verräter an der Gastfreundschaft war. Barbarisch!«
    »Da hast du sicher Recht, Sîdi Moktar«, bekräftigte der Magister. »Stout war ein Barbar. Die Pampe sah aus wie Tischlerleim. Den anderen Gästen hatte es ebenfalls die Sprache verschlagen. Die ›Dame‹ Phoebe fing sich als Erste. ›So’n Schweinkram ess ich nich, Herr Kapitän‹, rief sie. ›Ihr könnt sagen, was Ihr wollt, aber so’n Schweinkram ess ich nich.‹ Der Kapitän jedoch hielt dagegen: ›Aber, aber! Vielleicht hätte ich die Inhalte der Suppe nicht aufzählen sollen, dennoch darf nicht übersehen werden, dass
Portable soup
auch ihre praktische Seite hat: Sie ist – richtig verstaut und vor Nässe und Schimmel geschützt – eine Mahlzeit, die sich auf See über viele Jahre hält.‹ Dann fuhr er fort: ›Man muss sich einfach ein Herz fassen und den ersten Löffel probieren! Sogleich wird man feststellen, dass sie insgesamt sehr gut schmeckt – viel besser als jede ihrer einzelnen Zutaten für sich. Sie schmeckt nach …‹ Nun, und genau an dieser Stelle verstummte der Geizhals, denn er hatte festgestellt, dass diese
Portable soup
tatsächlich überraschend gut mundete. ›Sie schmeckt nach …‹, hob er an, und während er noch nach einem passenden Vergleich suchte …«
    »Hab ich geschallt: ›Wui, wui, Herr Kaptein, ’s schmerft nach Schaf!‹«, rief der Zwerg.
    Auch Vitus schaltete sich wieder ein. »Man muss dazu wissen, dass Stout sich einen privaten Lebendproviant mit an Bord genommen hatte, denn wenn andere schon hungerten, er selber wollte das nicht. Darunter war auch ein Schaf. Als er nun den Hammelgeschmack auf der Zunge spürte, wusste er sofort, dass seine Kostbarkeit geschlachtet und mit in die Suppe geschnitten worden war.«
    »Wui, er hat mich gespäht, wie wenn ich der Hornfüßige selber wär, un dann isser hoch un wollt mir ans Leder!«
    »Doch die Strafe Gottes folgte auf dem Fuße«, spann Vitus den Faden weiter. »Sie ließ ihn mitten in der Bewegung innehalten und riss ihn zurück. Stout zog ein Gesicht, als hätte die brühheiße Suppe sich mitten in sein Gedärm hineingefressen. Die Pein war so groß, dass er, wimmernde Laute ausstoßend, mit dem Kopf vornüber auf die Tafel schlug, während seine Hände sich hilflos gegen den Unterleib pressten.«
    »Was war passiert?« Sîdi Moktar, der gerade eine in Honig getränkte Nuss zum Munde führen wollte, beugte sich neugierig vor. Er spürte, die Geschichte näherte sich ihrem Höhepunkt.
    »Das fragte ich den Geizhalz auch, und seine Antwort war nur ein einziges Keuchen: ›Schmerzen … Unterleib. Furchtbar. Oooh … Ich muss piss …

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