Die Mission des Zeichners
Buch. Das Grüne Buch. Das Versteck für die dunkelsten Geheimnisse der South Sea Company. Wer bestochen wurde. Wann. Mit wie viel. Alle Namen. Alle Zahlen. Alles.
»Und das habe ich mit mir getragen?«
»Anscheinend. Knight hatte es nicht bei sich, als er verhaftet wurde. Und es ist bekannt, dass Knight Janssen unmittelbar vor seiner Abreise aus England aufgesucht hat. Das Buch enthält das, wonach der Ausschuss seit seiner Einsetzung vor einem Monat fahndet: das einzige wahre Verzeichnis der Machenschaften der Gesellschaft. Die überprüften Konten waren nichts als eine Sammlung gefälschter Zahlen und fiktiver Namen. Aber selbst diejenigen, die andere bestechen, müssen Buch führen. Um die Schuldigen auszumerzen, ob hohen oder niedrigen Standes, braucht der Ausschuss das Buch. Und ich habe vor, es ihm zu bringen.«
»Wie?«
»Indem wir Zuyler und seine Amorosa einholen. Es ist doch klar, dass sie de Vries ermordet und Ihnen die Schuld in die Schuhe geschoben haben. Mir ist nur nicht so klar, ob Zuyler oder de Vries hinter dem Anschlag auf Ihr Leben gesteckt haben - wenn es denn einer war -, aber das hat jetzt keine Bedeutung mehr. Laut Cloisterman geht de Vries' Geld an seinen Sohn. Die Witwe erhält nicht mal ihr sprichwörtliches Scherflein. Vielleicht hat der alte Mann sie deshalb enterbt, weil er fürchtete, sie könnte sonst einen guten Grund haben, seinen Abgang von dieser Welt zu beschleunigen. In diesem Fall dürfte er ihr das klar zu verstehen gegeben haben, womit er ihr bestimmt keine warmen, zärtlichen Gedanken eingeflößt hat. Aber bald hat ihr Zuyler gezeigt, was ein jüngerer Mann zu bieten hat, und sie haben davon gesprochen, gemeinsam durchzubrennen. Doch dazu brauchten sie Geld. Da bot ihnen das Grüne Buch eine Möglichkeit, mehr zu kriegen, als sie je aus de Vries hätten herauspressen können. Sie müssen schon vor Ihrer Ankunft gewusst haben, dass es unterwegs war. Gemeinsam haben sie sich wohl jedes von de Vries' Geheimnissen erschlichen. O ja, sie waren schlau, keine Frage. Aber Schläue hat nun mal die Gewohnheit, bei Unglück schnell zu erlahmen. Nun untersteht unsere Botschaft in Den Haag einem hirnlosen Laffen. Und der Minister, dem er verantwortlich war - der Lord Stanhope -, war in kluger Voraussicht derart ahnungslos von den Eskapaden der South Sea Company geblieben, dass er nicht begriff, was ihm Zuyler da anbot. Kurz, das Angebot wurde zurückgewiesen. Wie traurig, wie ungelegen für unsere Turteltäubchen.« McIlwraith klatschte in die Hände. »Aber was für ein Segen für uns!«
»Ein Segen?«
»Aye, Mann. Ein Segen für uns beide. Für mich, denn wenn der Verkauf erfolgt wäre, hätte jetzt die Regierung das Grüne Buch. Und wir können davon ausgehen, dass zu viele Minister namentlich genannt werden, als dass man zulassen würde, dass es je das Tageslicht erblickt. Unter anderem Sunderland. Menschenskind, wenn der Ausschuss seine krummen Geschäfte hinausposaunen könnte... Nun, noch habe ich die Möglichkeit, die Herren dazu zu befähigen.«
»Und ich?«
»Sie? Sie haben es noch besser, Spandrel. Sie sind aus dem Gefängnis draußen. Und Sie bleiben draußen, wenn Sie sich an mich halten. Der Ausschuss wird in Ihrer Schuld stehen, wenn wir ihm das Grüne Buch aushändigen. Das bedeutet: Die Regierung wird in Ihrer Schuld stehen, denn wir werden eine ganze Garnitur nagelneuer Minister bekommen, sobald die Wahrheit über den bisherigen Haufen bekannt wird. Sie brauchen keine Angst mehr davor zu haben, hier vor Gericht gestellt zu werden. Sie brauchen sich nicht mehr vor Ihren Gläubigern zu verstecken. Dem angesehensten von ihnen droht selbst ein Prozess.« McIlwraiths Ton wurde auf einmal scharf. »Natürlich nur, wenn Sie mir helfen. Wenn Sie sich aber sagen, es sei besser zu fliehen, dann gebe ich Ihnen mein Wort, dass Sie Ihr Leben lang auf der Flucht sein werden; Ich werde persönlich dafür sorgen, dass Sie nicht nach England zurückkehren können, ohne verhaftet und an die holländischen Behörden ausgeliefert zu werden. Sie wären wieder dort, wo Sie bis vor kurzem waren - und wo Sie ohne mich geblieben wären.« Seine Stimme wurde wieder freundlicher. »Aber daran besteht doch kein Zweifel, oder? Wir sind aufeinander angewiesen.«
»Ich soll Ihnen nur dabei helfen, Zuyler und Estelle de Vries zu finden?« Es klang einfach, obwohl Spandrel klar war, dass sie kaum Aussichten auf Erfolg hatten. Aber welche Wahl hatte er denn schon? McIlwraith hatte Recht. Sie
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