Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mission des Zeichners

Die Mission des Zeichners

Titel: Die Mission des Zeichners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goddard
Vom Netzwerk:
Tagen reisen wir weiter nach Turin. Aber ich denke, dass der Pass über den Mont Cenis nicht weniger abschreckend ist als der Simplon.«
    »Warum sind Sie nach Genf gefahren?«
    »Weil ich keine Hoffnung hatte, allein und ohne Hilfe ans Ziel zu gelangen. Genf war die am nächsten gelegene Stadt, wo ich noch am ehesten Aussichten hatte, Hilfe zu finden.«
    »Und Sie sind nicht enttäuscht worden.«
    »Was hat Sie nach Vevey geführt?«
    »Glück. Und was Sie betrifft, Pech.«
    »Ich würde alles, was Sie ihnen sagen, leugnen.«
    »Würde Ihr Leugnen genügen?«
    »Vielleicht. Vielleicht nicht. Mir wäre lieber« - sie sah ihm mit einem schwachen, selbstironischen Lächeln ins Gesicht -, »ich würde es nicht erfahren.«
    »Das müssen Sie auch nicht.«
    »Schlagen Sie mir ein Geschäft vor, Mr. Spandrel?«
    »Entweder ich reise mit Ihnen... oder Sie reisen überhaupt nicht.«
    »Das Grüne Buch?«
    »Wir teilen den Verkaufserlös.«
    »Was ist mit Mr. Buckthorn und Mr. Silverwood?«
    »Sagen Sie ihnen, ich sei Ihr Vetter. Sagen Sie ihnen das, was sie Ihrer Meinung nach am ehesten glauben. Aber überreden Sie sie dazu, mich in Ihre Reisegruppe aufzunehmen. Trauen Sie sich das zu?«
    »Ja.«
    »Und wollen Sie es auch tun?«
    »Ich muss wohl.« Sie sah ihn mit großen Augen an. »Oder?«

21 Zwischen den Laken
    Estelle Plenderlaith, die einzige Tochter von Joshua Plenderlaith, verbrachte eine behütete, wenn auch nicht verhätschelte Kindheit im Herzen des beschaulichen ländlichen Shropshire. Eine von Sorgen ungetrübte Zeit, denn niemand brachte es über sich, Estelle zu sagen, dass der Landsitz, auf dem sie lebten, nicht Erbgut ihrer Familie war und nach dem Tod ihres Vaters einem Vetter zufallen würde. Mit dem Ableben des kerngesunden und liebevollen Squire Plenderlaith war noch viele Jahre nicht zu rechnen. Doch dann raffte ihn ein Reitunfall jäh dahin und zwang die Witwe, Estelle die grausamen Folgen zu erklären und bei Verwandten in London Zuflucht zu suchen, denn der Vetter nahm sofort rücksichtslos das Gut in Besitz. Ihre Verwandten - die Familie Spandrel - waren durchaus gastfreundlich, soweit die räumliche Enge und ihre eingeschränkten finanziellen Mittel das erlaubten. Doch diese Einschränkungen waren alles andere als geringfügig, sodass Estelles Mutter ihre Tochter immer wieder ermutigte, nach einem vermögenden Mann Ausschau zu halten, der sie beide aus ihrer betrüblichen Lage retten könnte. Ein holländischer Kaufmann namens de Vries, der mit Mr. Spandrel in Zusammenhang mit dessen Gewerbe als Kartenzeichner in Geschäftsbeziehungen stand, lernte eines Tages bei einem Besuch Estelle kennen und entbrannte auf der Stelle in leidenschaftlicher Liebe. Zwar bestand ein beträchtlicher Altersunterschied, doch de Vries war ein guter Mann, und Estelle konnte es sich kaum leisten, das Herz über ihren Verstand bestimmen zu lassen. Sie heirateten, und mehrere Jahre lang führte Estelle an der Seite ihres Mannes in Amsterdam ein ruhiges und von ihren Pflichten erfülltes Leben, während ihre Mutter sich dank einer Rente von de Vries in Lyme Regis zur Ruhe setzte. Dann starb de Vries völlig überraschend. Estelle, die jetzt eine wohlhabende Witwe war, sagte sich, dass es endlich an der Zeit sei, das Leben zu genießen. Oft hatte de Vries ihr versprochen, ihr die Wunder von Rom zu zeigen, doch seine vielen Geschäfte hatten ihn stets daran gehindert. Nun wollte sie selbst hinfahren. Als die Nachricht von ihrer Abreise ihre Mutter erreichte, machte sich die alte Dame Sorgen darüber, dass ihre Tochter ganz allein eine derart beschwerliche und gefährliche Reise unternehmen wolle. Schließlich konnte sie die Spandrels dazu überreden, ihr ihren Sohn William hinterherzuschicken, damit er ihr, soweit er das vermochte, Schutz und Hilfe gewährte. Natürlich konnte William nicht wissen, dass er Estelle keineswegs allein antreffen würde, sondern in der Obhut zweier fürsorglich um sie bemühter, vornehmer junger Herren, deren Weg sich zufällig in Genf mit dem ihren gekreuzt hatte: Giles Buckthorn und Naseby Silverwood.
    In den Tagen nach seiner Aufnahme in die Reisegesellschaft hatte Spandrel nie Grund zu der Annahme, dass Buckthorn und Silverwood an seiner Version zweifelten. (Von Buckthorn oder Silverwood konnte nicht die Rede sein; ihre Übereinstimmung, was Meinungen und Ausdrucksweisen betraf, war so auffällig wie ihre äußerlichen Unterschiede.) Und warum sollten sie sie auch nicht glauben? Die

Weitere Kostenlose Bücher