Die Mission
entscheiden, der immerhin auf dem Papier sein Vorgesetzter war. Trixie hatte dieses Phänomen bereits bei jungen Männern im ForthRight beobachtet. Sie waren von Geburt an darauf getrimmt worden, Befehle zu befolgen, und wussten oft nicht, wie man sich ihnen widersetzt.
Feldwebel Wysochi nahm ihm die Entscheidung ab. »Was der Hauptmann sagt, spielt keine Rolle, Chefdelegierter. Nachdem was heute Nacht geschehen ist, bin ich sowieso ein toter Mann. Also ist es völlig einerlei, ob mich die Checkya wegen eines Mordes oder mehrerer festnimmt.« Er legte an und zielte sorgfältig auf Olbrachts Stirn. »Also, Sir, gehen Sie freiwillig, oder bleiben Sie als toter Mann?« Als er den Abzug spannte, hallte das Geräusch bedrohlich durch den Raum.
Olbracht und sein Gefolge schoben ab und stießen dabei wütende Drohungen von wegen »Meuterei« und »Hochverrat« aus.
Als der Letzte die Kneipe verlassen hatte, senkte Wysochi die Waffe. »Falls wir uns diese Kähne noch vornehmen wollen, Major Dabrowski« – damit benutzte er bewusst den Rang, den Dabrowski in der polnischen Widerstandsarmee innehatte –, »sollten wir uns auf die Socken machen. Ich habe das ungute Gefühl, dass dieser Hundesohn von Adamczyk Verstärkung holt, und dann wird er nicht mehr mit sich reden lassen. Wenn wir die Schiffe heute Nacht kapern …«
»Heute Nacht?«, stotterte Dabrowski. »So weit sind wir noch nicht.«
»Heute Nacht oder nie, Major. Wir müssen zuschlagen, solange das Eisen noch heiß ist, und die Delegierten vor ein fait accompli stellen.«
Fait accompli ?, staunte Trixie. Einen solchen Ausdruck hörte man nicht oft aus dem Mund eines polnischen Feldwebels. Offensichtlich steckte mehr hinter diesem Wysochi, als man ahnte.
»Wenn wir uns die Kähne schnappen, wäre das eine Kriegshandlung, für die sich nicht einmal die feigen Verräter in der Verwaltung entschuldigen könnten. Wenn wir aber abwarten, wird Olbracht seinen SS -Freunden unsere Pläne verraten. Und dann werden sie die Boote so gut bewachen, dass wir eine ganze Armee bräuchten, um sie zu überfallen.«
Dabrowski schüttelte den Kopf. »Wir haben nicht genügend Männer.«
Wysochi warf einen Blick auf den jungen Unterleutnant, der in der Kneipe geblieben war, als die Delegierten davoneilten. »Sind Sie Offizier?«, fragte er.
Der großgewachsene junge Mann trat vor. »Jawohl, Sir … äh … Ich meine Feldwebel.« Er salutierte. »Ich bin Unterleutnant Gorski.« Er war eher unscheinbar. Er sah aus wie fünfzehn und trug einen Armeemantel, der ihm mindestens zwei Nummern zu groß war. Der bunte Haufen, den er anführte, war ebenfalls nicht besonders vertrauenserweckend.
»Wie viel Mann zählt Ihre Kompanie, Gorski?«, fragte Wysochi.
»Zwölf, nein, fünfzehn.«
»Sind sie bewaffnet und bereit zu kämpfen?«
Gorski schluckte, wobei sein übermäßig großer Adamsapfel nervös auf und ab sprang. »Kämpfen … äh, gegen wen?«
»Gegen das ForthRight natürlich! Wir werden ein paar Kähne am Berliner Rheinufer überfallen, die Waffen konfiszieren und unsere Warschauer Widerstandsarmee damit ausrüsten.«
Der Junge machte große Augen. »Ich habe aber den Befehl …«
»Sie werden genau das tun, was man Ihnen sagt, verstanden?!«, schrie Wysochi den Mann an. »Major Dabrowski ist der ranghöchste Offizier hier.«
Dabrowski seufzte. »Es hat keinen Zweck, Feldwebel. Mit Gorskis Männern wären wir siebzehn, und das reicht bei weitem nicht aus, um die Schiffe zu überfallen. Obendrein bräuchten wir einen Mann, der in der Lage ist, ein Dampfschiff zu steuern. Mein Plan sah so aus, dass wir mit den Schiffen rheinaufwärts fahren und die Ladung in den Werften von Gda ´ nsk löschen, aber ohne Kapitän sind wir aufgeschmissen. Ein Dampfschiff zu steuern ist nicht einfach. Das ist kein Job für blutige Amateure.«
»Ich könnte das Dampfschiff steuern«, platzte Trixie heraus, ehe sie selbst wusste, was sie da sagte. Alle starrten sie ungläubig an. »Letzten Sommer habe ich mit meinem Vater auf einem Dampfschiff verbracht«, erklärte sie hastig. »Damals hat er den Flussverkehr auf dem Rhein neu geregelt. Ich stand zwei Monate neben den besten Seeleuten im ganzen ForthRight. Ich könnte Ihren Kahn steuern.«
Trixie spürte, dass Major Dabrowski sie mit seinem Blick förmlich aufspießte. »Sind Sie ganz sicher, Miss Dashwood? Viele Menschenleben werden von Ihrem Geschick abhängen. Das ist kein Kinderspiel, in dem man sich hervortun kann.«
Trixie
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