Die Mission
dass der Zeitpunkt, an dem wir uns hätten ergeben können, längst verstrichen ist. Egal was wir tun, Heydrich wird das Warschauer Volk vernichten. Wir haben uns ihm widersetzt und seiner Waffen- SS eine Lektion erteilt. Er kann uns nicht am Leben lassen, denn lebend werden wir die ganze Demi-Monde daran erinnern, dass es sich lohnt, für die Freiheit zu kämpfen. Der junge Mann hier mag etwas … unkonventionell sein, aber sein Vorschlag ist die Sache wert. Wenn wir uns ergeben, wird Heydrich uns alle erschießen lassen. Halten wir nur ein paar Wochen länger durch, haben wir vielleicht eine Chance.«
Dabrowski saß mehr als eine Minute da und überlegte. Schließlich gab er widerwillig nach. »Na schön, Vanka Maykow, wir werden Ihnen Gelegenheit geben, ein bisschen zu zaubern.«
»Großartig«, murmelte Norma. »Endlich komme ich aus diesem Scheißloch heraus.«
Ella fragte sich, wie Norma reagieren würde, wenn sie erfuhr, wie Vanka sie aus Warschau schmuggeln wollte. Aber das würde sie zumindest von den Läusen ablenken.
»Die Abwasserkanäle!«, rief Norma. »Wir sollen durch die Kanalisation Warschaus kriechen?«
Vanka nickte. »Es ist der einzige Weg. Die SS schießt auf jeden, der aus dem Ghetto zu fliehen versucht. Zwanzigtausend dieser Dreckskerle bewachen die Grenzen, also sind unsere Chancen, an ihnen vorbeizukommen, gleich null. Die Alternative wäre hierzubleiben, Miss Williams.«
»Das können Sie vergessen. Aber was ist, wenn wir das Ende der Kanalisation erreichen? Wo werden wir rauskommen?«
»An einer Böschung des Rheins. Ein Ausläufer der Kanalisation mündet direkt unter der neuen Reinhard-Heydrich-Brücke, die Kommissar Dashwood hat bauen lassen. Die SS wird nicht damit rechnen, dass irgendwer aus Warschau in Odessa auftaucht.«
»Was erwarten Sie danach von uns? Sollen wir über den Fluss schwimmen?«, spottete Norma.
»So ungefähr«, antwortete Vanka beiläufig. »Die FAW hat ein paar Sympathisanten in Odessa, und einer von ihnen besitzt ein Ruderboot. Im Schutz der Dunkelheit müsste es möglich sein, an den Patrouillenbooten vorbeizukommen. Die Anglos sind zwar bestens organisiert, aber das ist zugleich ihr Schwachpunkt. Ihre Aktionen sind vorhersehbar.«
»Auch wenn sie uns nicht sehen können, sie werden uns riechen. Wenn wir durch die Kanalisation gekrochen sind und von Kopf bis Fuß in der …«
Vanka schnaubte ungeduldig. »Wir haben keine Zeit zu diskutieren, Miss Williams. Wenn Sie mein Angebot nicht annehmen wollen, dann lassen Sie es sein.«
Norma biss sich einen Augenblick lang unentschlossen auf die Unterlippe. »Schon gut, ich hoffe nur, dass wir jemanden dabeihaben werden, der sich in den Kanälen auskennt. Ich will nicht am Ende in einer Latrine enden.«
»Da können Sie beruhigt sein«, erklärte Trixie und zeigte mit dem Kopf auf ein junges Mädchen, das auf der anderen Seite des Raumes stand und lässig eine Zigarette rauchte. »Das ist Róza, die beste Kanalratte der FAW .«
Die Kleine, die kaum älter war als vierzehn, ließ die Zigarette fallen und schlenderte quer durch den Raum auf sie zu. »Wie viele?«, fragte sie Trixie. Ella hatte den Eindruck, dass Róza nicht viel von Rängen hielt.
»Die beiden Frauen«, antwortete Trixie und zeigte auf Ella und Norma, »und dieser Mann.« Sie deutete auf Vanka. »Korporal, nein, Feldwebel Josef Zawadzski wird euch begleiten, er ist ein zuverlässiger Mann.« Zawadzski strahlte entzückt über seine plötzliche Beförderung.
»Ich brauche keine Eskorte.«
»Er wird die Dämonin eskortieren, nicht dich.«
Das Mädchen spuckte auf den Boden. »Na schön, aber bevor wir aufbrechen, möchte ich die Regeln klarstellen. Sobald wir unter der Erde sind, habe ich das Sagen. Wer meint, sich mit mir anlegen zu müssen«, sie warf Norma einen Blick zu, »den lasse ich da unten. Das ist kein Scherz. Ich komme immer mit dem Leben davon, und alle anderen auch, wenn sie genau das tun, was ich sage und wann ich es sage. Ist das klar?«
Alle nickten, sogar Norma.
»Sobald wir unten sind, spreche nur ich, und alle anderen bewegen sich so leise wie möglich. In den Abwasserkanälen hört man das leiseste Geräusch kilometerweit. Die Anglos haben mittlerweile mitbekommen, dass wir die Kanalisation benutzen, und schicken ihre eigene Patrouillen da runter. Ihr könnt mir glauben, da wollt ihr garantiert nicht in eine Schießerei mit der SS geraten.«
Sie nahm eine weitere Zigarette von Vanka an, der offensichtlich Gefallen an
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