Die Mission
seiner Morgenzigarette. Tabak war mittlerweile so rar und schwer zu bekommen, dass er sich auf drei Zigaretten am Tag heruntergeschraubt hatte – eine am Morgen, eine am Nachmittag und eine letzte am Abend. Für Ella war das einer der wenigen Vorteile, die der Aufstand mit sich gebracht hatte. »Mit Miss Thomas’ Hilfe will ich Blut auf dem Schwarzmarkt kaufen. Ich habe einige Erfahrung im illegalen Bluthandel gesammelt und glaube, dass es möglich wäre, den Blutsbrüdern sechzigtausend Liter Blut abzukaufen und nach Warschau verschiffen zu lassen, vorausgesetzt, der finanzielle Anreiz stimmt. Wie ich gehört habe, sitzen knapp drei Millionen Menschen in Warschau in der Falle, also würden sechzigtausend Liter für zwei Wochen reichen.«
»Zwei Wochen …«, höhnte Dabrowski.
»In zwei Wochen kann vieles geschehen«, mischte sich Trixie ein. »Die anderen Sektoren könnten es sich anders überlegen … alles Mögliche kann passieren. Wir sollten uns anhören, was dieser Mann zu sagen hat.«
Dabrowski warf Vanka einen finsteren Blick zu. »Und was würde uns dieses Wunder kosten?«
»Zurzeit kostet ein Liter Blut auf dem Schwarzmarkt einhundert Guineen«, erklärte Vanka.
»Also sechs Millionen Guineen!«, schnaubte Dabrowski. Er wandte sich an Ella. »Wissen Sie, Miss Thomas, ich bin enttäuscht von Ihnen. Von einer Dämonin hätte ich mir mehr Phantasie gewünscht. Ist der Kauf von Blut auf dem Schwarzmarkt nicht ein bisschen einfallslos – ein bisschen unDämonisch – für jemanden wie Sie? Ich hätte gedacht, Sie würden mir etwas wirklich Phantastisches vorschlagen wollen. Etwa, dass Sie die Grenzschicht zurückschieben würden, damit das arme eingekesselte Warschauer Volk in das Große Jenseits flüchten kann.« Er fing an zu lachen. Es klang beinahe hysterisch. »Andererseits ist diese Idee mit dem Blut genauso abwegig. Wir haben keine sechs Millionen Guineen. Warschau ist so gut wie bankrott.«
Vanka winkte lässig ab, als wären sechs Millionen Guineen nur eine Bagatelle. »Miss Thomas hat Zugang zu gewissen Fonds, die solche Unkosten problemlos decken könnten. Sie wird sozusagen als Blutspender fungieren.« Sein kleiner Scherz brachte niemanden zum Lachen, dafür war das Thema einfach zu ernst.
Ella sah, wie alle Blicke im Raum sich ihr zuwandten. »Ja, ich kann sechs Millionen Guineen auftreiben.«
»Sie? Aber Sie sind doch nur eine Frau«, wandte Dabrowski abfällig ein.
Ella reagierte nicht auf seine Kränkung. »Frau oder nicht, Sie sollten mir lieber glauben, wenn ich Ihnen sage, dass ich dieses Geld auftreiben kann. Wenn die FAW die Hafenanlagen wieder unter ihre Kontrolle bringen kann, werden Vanka und ich dieses Blut beschaffen und dafür sorgen, dass es hierhergelangt.«
»Wie lange würden Sie den Hafen brauchen?«, fragte Trixie.
»Fünf Stunden«, antwortete Vanka.
»Unmöglich«, entgegnete Dabrowski.
»Nein, das ist nicht unmöglich«, berichtigte ihn Trixie. »Es würde viele das Leben kosten, aber mein Regiment würde es schaffen. Wir können Ihnen fünf Stunden geben.«
»Das ist doch lächerlich. Das Ganze hört sich viel zu gut an, um wahr zu sein!«, widersprach Dabrowski. »Was, wenn ich fragen dürfte, springt dabei für Sie heraus, Oberst Maykow? Soweit ich weiß, sind Sie kein Mann, der für seine Wohltaten bekannt ist.«
»Nun, die FAW soll Miss Thomas, Miss Williams und mir helfen, aus dem Ghetto zu fliehen. Ich muss in den Berliner Sektor, um mit einem von Shakas Leutnants über die Blutlieferungen zu verhandeln.«
»Und danach?«
»Danach werden wir drei weiter nach NoirVille reisen.«
Dabrowski lachte. »Jetzt verstehe ich. Sie wollen uns bestechen, wir sollen Sie aus Warschau bringen und erhalten dafür Blut.«
»Auf einen kurzen Nenner gebracht, könnte man es so ausdrücken«, stimmte Vanka zu und zog beiläufig an seinem Stummel.
»Und was hindert Sie daran, sich einfach aus dem Staub zu machen, wenn Sie das Ghetto verlassen haben, und uns zu vergessen?«
»Nichts. Sie werden uns wohl oder übel vertrauen müssen.«
»Lächerlich!«, platzte Dabrowski heraus. »Ich kann nicht erlauben, dass die Dämonin – ich meine, Miss Williams – das Ghetto verlässt. Sie ist das letzte Faustpfand, das ich habe, um mit Heydrich zu verhandeln. Wenn ich ihm die Dämonin ausliefere, kann ich davon ausgehen, dass er eher geneigt ist, Nachsicht zu üben.«
»Ich widerspreche Ihnen ungern, Major Dabrowski«, sagte Trotzki mit ruhiger Stimme, »aber ich glaube,
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