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Die Mission

Die Mission

Titel: Die Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rod Rees
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spürte sie, wie vor ihr Feldwebel Zawadzski torkelnd stehen blieb. Kurz darauf flüsterte er ihr ins Ohr: »Wir müssen jetzt über eine Kreuzung. Seien Sie sehr, sehr leise. Róza wird für einen Moment eine Laterne anzünden. Geben Sie die Nachricht an den Oberst weiter.«
    Ella tat wie ihr befohlen und wartete im Dunkeln. Und da fiel ihr auf, dass sich zu dem Geräusch tosenden Wassers, das sie bislang begleitet hatte, nun ein Dröhnen gesellte, das von oben kam. Das mussten die Panzerwagen der SS sein. Sie hörte das Rattern der schweren Räder auf den Pflastersteinen, spürte das Stampfen der gewaltigen Kolben, als sie über sie hinwegfuhren, und konnte sich vorstellen, wie schwer die Last der großen schweren Fahrzeuge auf der Straße sein musste.
    Dann flammte ein Licht auf.
    Ella zuckte zusammen und kniff die Augen fest zu, ehe sie sie langsam wieder öffnete. Im schwachen Licht der Laterne erkannte sie, dass sie an einer Gabelung des Kanalisationssystems standen, wo sich zwei Schächte trafen und beide Wasserläufe zu einem einzigen rasenden Strom vereinten. Das Wasser wirbelte um sie herum wie ein Strudel. Ella schüttelte den Kopf. Niemand – zumindest niemand, der so erschöpft war wie sie – würde es schaffen, diesen Mahlstrom zu durchqueren, ohne mitgerissen zu werden.
    Róza hatte das Problem offensichtlich bedacht. Sie fasste in die Tiefe und zog eine lange Stahlstange hervor, die dort abgestellt war. Die Stange legte sie quer zur Öffnung des Schachts im rechten Winkel zu dem Weg, den sie zurücklegen mussten. »Haltet euch an der Stange fest«, raunte sie. »Stemmt euch dagegen, so kann die Strömung euch nicht mitreißen. Und bei allen Geistern, keinen Mucks. Die Anglos sitzen direkt über uns und spitzen die Ohren.« Dann winkte sie Feldwebel Zawadzski nach vorn, und während er das eine Ende der Stange festhielt, hangelte sich Róza über den Strudel auf die andere Seite der Kreuzung. Als sie dort angekommen war, gab sie Norma ein Zeichen.
    Norma nahm sich so gut es ging zusammen, doch im schwachen Schein der Laterne sah Ella, dass sie sich zu Tode ängstigte. Auf halbem Weg kam es zur Katastrophe. Als Ella später darüber nachdachte, konnte sie es sich nur so erklären, dass einer der vielen Ziegelsteine, die von der wirbelnden Strömung mitgerissen wurden, Normas verletztes Knie getroffen haben musste, doch was immer es gewesen war, Norma schrie auf und knickte ein. Sie verlor den Halt, wurde von der Strömung erfasst und nach rechts abgetrieben. Ella beugte sich instinktiv vor, um nach ihr zu fassen, doch Vanka zerrte sie zurück.
    »Sie ist verloren …«, schrie er, und dann wurde jede weitere Debatte jäh unterbrochen, als der Kanaldeckel direkt über ihnen aufgeschoben und eine Laterne an einem Seil heruntergelassen wurde.
    »Da drüben!«, schrie eine Stimme. »Eine polnische Kanalratte.«
    Ein ohrenbetäubender Knall hallte durch den Schacht, als Feldwebel Zawadzski seine Pistole abfeuerte. Die Laterne zerbarst in einem Regen von Glassplittern, dann war es wieder stockdunkel.
    »Zurück!«, rief Feldwebel Zawadzski, und noch ehe Ella wusste, wie ihr geschah, wurde sie den Weg, den sie gekommen waren, wieder zurückgeschleift. Es folgten weitere laute Detonationen, gelbes und rotes Mündungsfeuer erhellte den Tunnel, der Geruch nach Kordid vermischte sich mit dem Gestank nach Fäkalien. Und dann kamen eine gewaltige Detonation und eine Schockwelle, die durch die Kanalisation schwappte und Ella in die stinkende Brühe schleuderte. Vanka zerrte sie wieder aus dem Wasser, während Zawadzski unentwegt seine Waffe abfeuerte. Das Mündungsfeuer blendete sie. Ella konnte keinen klaren Gedanken fassen, als sie japsend und spuckend hinter Vanka und Feldwebel Zawadzski her taumelte. Hinter sich hörte sie das Geschrei der Verfolger, und gelegentlich zischte eine Kugel über ihren Kopf und prallte funkelnd an den ManteLit-Wänden der Kanalisation ab.
    Feldwebel Zawadzski nahm eine Laterne aus seinem Rucksack und zündete sie in dem stockdunklen Schacht an. Das war glatter Selbstmord. Ohne Licht rannten sie durcheinander wie blinde Hühner, aber ihre Verfolger ebenfalls. Kaum hatte er die Laterne angezündet, nahm die SS sie unter Beschuss.
    Als Ella verzweifelt versuchte, sich vor den Kugeln zu ducken, erkannte sie plötzlich, dass sie dank PINC selbst eine geborene Kanalratte war, die kein Licht brauchte, um zu wissen, wo sie sich befand. »Machen Sie die Laterne aus«, befahl sie. »Ich kenne

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