Die Mission
den Mut haben, sich in einer derart freizügigen Aufmachung in diesem rassistischen Land blicken zu lassen. Eine solche Tollkühnheit, ja Verwegenheit im ForthRight verdient Unterstützung.«
Das musste er Ella nicht zwei Mal sagen. Sie glitt in Louvertures Separee, dicht gefolgt von Vanka.
»Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten, Mademoiselle … Vanka? Der Champagner hier ist nicht übel.«
Ella und Vanka nickten, woraufhin Louverture Gaston anwies, seinen Gästen einzuschenken.
»Monsieur Louverture …«, begann Ella, doch ihr Gastgeber hob die Hand, sodass sie mitten im Satz verstummte.
»Ich fürchte, ich muss die Befriedigung meiner Neugier vorläufig vertagen, Mademoiselle, und auch die zweifellos spannende Erklärung für Ihren beabsichtigten Akt von Menschenliebe. Gleich beginnt die Vorstellung, und als Manager trage ich die volle Verantwortung für deren reibungslosen Ablauf.«
Kaum hatte er das gesagt, marschierten sieben Musiker im Gänsemarsch auf die Bühne und spielten dabei auf ihren Instrumenten. Sie trugen Smokings, schwarze Melonen und hatten sich die Gesichter schwarz bemalt. Ella zuckte empört zusammen. Es war das erste Mal, dass sie echte schwarze Menschen mit einer solchen Aufmachung sah. Die wulstigen weiß geschminkten Lippen und die albernen Augen hatten etwas Groteskes. Wie Negerpuppen sahen sie aus! Ella musste sich zusammenreißen, um nicht aufzuspringen und ihnen an den Kopf zu werfen, dass sie keine Selbstachtung hätten und ihre Rasse erniedrigten. Dann aber erinnerte sie sich, dass sie nicht im New York des einundzwanzigsten Jahrhunderts war, sondern im Pastiche eines zeitlosen Berlins, das man offenbar willkürlich mitten im rassistischsten Sektor einer Scheinwelt platziert hatte.
Doch während Ella der Combo zuhörte, musste sie zugeben, dass zumindest die Musik, die sie spielte, über ihre lächerliche und demütigende Verkleidung hinwegtröstete. Jeder einzelne Musiker war offenbar ein echter Meister seines Instruments, und der flotte Jazz – besser gesagt, Jad –, den sie spielten, versetzte das Publikum im Nu in Schwung.
Zufrieden mit der Vorstellung seiner Musiker wandte sich Louverture gelangweilt ab. »Also, Mademoiselle, Sie waren dabei, mir zu erzählen, wie Sie mich zu einem unanständig reichen Mann machen wollen.«
Es hat keinen Zweck, um den Brei herumzureden, dachte Ella und kam sofort zur Sache. »Ich habe gehört, dass Sie in der Lage sind, beträchtliche Mengen an Blut zu besorgen.«
Louverture lehnte sich zurück und schüttelte kummervoll den Kopf. »Mademoiselle, Sie sind eine hübsche junge Frau, und daher rate ich Ihnen, Ihre Interessen auf hübsche Kleider und andere weibliche Künste zu beschränken. Vanka hat Ihnen bestimmt erzählt, dass der Bluthandel ein hartes Geschäft ist, an dem sich nur Männer beteiligen sollten.«
Ella lächelte. »Nun, in dieser Hinsicht halte ich es wie Miss Baker. Ich lasse mich nicht von anderen davon abbringen zu tun, was ich meiner Ansicht nach tun muss. Und im Augenblick, Monsieur Louverture, habe ich das Gefühl, ich müsste sechzigtausend Liter Blut auftreiben und wenn möglich, sogar noch mehr.«
Louverture machte große Augen. »Mademoiselle, ich glaube, dass Sie eine noch größere Komödiantin sind als Miss Baker. Eine derart große Menge an Blut ist … Allein die Kosten …«
»Wie ich gehört habe, kostet ein Liter Blut auf dem Schwarzmarkt einhundert Guineen, es handelt sich also um ein Geschäft im Wert von sechs Millionen Guineen.«
Louverture verbarg sein Unbehagen, indem er einen kräftigen Schluck Champagner nahm. »Sechs Millionen Guineen? Sind Ihre Taschen denn so tief?«
Ella nickte.
»Und wohin soll diese Unmenge an Blut geliefert werden?«
»Nach Warschau.«
Louverture lachte laut los. »Völlig unmöglich! Vielleicht ist Ihnen entgangen, Mademoiselle, dass die Herrscher dieses widerwärtigen Landes, das sich ForthRight nennt, beschlossen haben, einen Teil seiner Bevölkerung zu eliminieren. Warschau ist jetzt Kriegszone. Auf dem Rhein patrouillieren Kriegsschiffe des ForthRight und versenken alle Boote, die keine ausdrückliche Genehmigung zum Passieren haben. Nicht einmal der mutigste Kapitän der Welt würde sich auf eine solche Mission einlassen.«
»Ich zahle zweihundert Guineen für jeden Liter Blut, der nach Gda ´ nsk geliefert wird.«
Ella spürte, wie Louverture sie musterte, um herauszufinden, ob sie es ernst meinte. Schließlich schüttelte er den Kopf. »Es ist
Weitere Kostenlose Bücher