Die Mission
nachahmen zu können.
Karls Ausdruck verriet Ella, dass er irgendwie in der Bredouille steckte. Wahrscheinlich hatte ihm der Manager eingebläut, dass er unter keinen Umständen jemanden hereinlassen durfte, der nicht auf der Gästeliste stand, aber den Wutanfall seines Chefs, wenn sich herausstellte, dass er Josephine Bakers kleine Schwester abgewimmelt hatte, wollte er sich lieber nicht vorstellen. Daher kapitulierte er.
Er löste die rote Kordel, die den Eingang versperrte. »Monsieur Louverture hat Tisch Nummer siebenundsechzig, Mademoiselle. Ganz am Ende des Clubs. Ich wünsche Ihnen und Oberst Maykow einen vergnüglichen Abend.«
Zusammen schritten sie majestätisch durch das Foyer des Clubs. Ella hatte Mühe, angesichts ihres Erfolges nicht laut loszuprusten. Nicht einmal die protzige Einrichtung konnte ihre gute Laune trüben.
Das Resi galt als Inbegriff der Dekadenz, doch in Wirklichkeit war es nur eine schäbige Spelunke. Der Club bestand aus einer großen rechteckigen Tanzfläche, die von überfüllten Tischen gesäumt war, an die sich wiederum einzelne Separees auf einer leicht erhöhten Plattform anschlossen. Alles war bunt geschmückt – Ella erinnerte der Club an einen alten rosa und gold geschmückten Kinosaal – und mit Dutzenden von Kandelabern erleuchtet. Am Resi war nichts dezent. Er war genau das, wonach es aussah: eine riesige ordinäre Fleischbörse.
Als Ella und Vanka hereinspazierten, stahlen sie sämtlichen anderen Paaren die Show. Dass Vanka zweifellos der attraktivste und eleganteste Mann im Saal war – seine Figur war wie geschaffen für einen Frack –, mag ein Grund gewesen sein, aber wahrscheinlich lag es an seiner dunkelhäutigen Begleiterin, dass sie die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich zogen. Und Ella, die natürlich wusste, dass sie mit ihrem neuen Kleid und der Pelzstola umwerfend aussah, fand das leise Tuscheln hinter ihnen wirklich sehr aufregend. So musste es sein, wenn man berühmt war, schoss es ihr durch den Kopf.
Sie schwang die Hüften und drückte die Schultern nach hinten, um ihren Körper ins rechte Licht zu rücken, als sie mit Vanka in die Richtung steuerte, wo laut PINC Tisch 67 stand. Dabei lächelte sie, nickte den anderen Gästen zu, um deren Tische sie sich schlängelte, und malte sich aus, wie es wäre, ein Filmstar zu sein.
An Tisch Nummer 67 saß ein einzelner Mann, ein kleiner Shade – Ella schätzte, dass er einen ganzen Kopf kleiner sein musste als sie. Er war um die vierzig, hatte einen majestätischen Vollbart, seltsame Narben an den Wangen – die Spuren eines Initiationsritus, wie PINC erklärte – und hielt ein Champagnerglas in der Hand. Er war zwar klein und hässlich, dafür aber tadellos gekleidet, und auf seiner überlangen Krawattennadel und den Manschettenknöpfen funkelten Diamanten.
»Guten Abend, Louffie«, grüßte ihn Vanka.
Louverture wandte seinen anerkennenden Blick widerwillig von Ellas Brüsten ab. Dann glitt ein unfreundliches Lächeln über sein Gesicht. Offensichtlich war er nicht erfreut, Vanka zu sehen. »Welche Überraschung … Vanka Maykow. Ich hatte gehört, Sie wären tot, Vanka. Man hätte Sie in Rodina versenkt.«
»Ich habe beschlossen, noch so lange am Leben zu bleiben, bis Sie mir die zweitausend Guineen bezahlt haben, die Sie mir schulden.«
Louverture musterte Vanka mehrere Sekunden schweigend. »Daran kann ich mich nicht erinnern …«
»Das wage ich zu bezweifeln, Louffie.«
»Ich kann nur hoffen, dass Sie nicht hergekommen sind, um Krach zu schlagen. Ich habe keine Lust, mich belästigen zu lassen.« Louverture gab einem großen bärtigen Shade mit Kahlkopf und ähnlich vernarbten Wangen wie er selbst, der in der Nähe herumlungerte, ein Zeichen. »Ich denke, Gaston wird Sie hinausbegleiten, Vanka. Wird Zeit, dass Sie einen Abgang machen.«
In diesem Moment beugte sich Ella über den Tisch und gewährte Louverture einen tiefen Einblick in ihr Dekolleté. »Vanka und ich sind nicht hier, um Ärger zu machen, Monsieur Louverture. Ich heiße Ella Thomas und bin gekommen, um Sie reich zu machen.«
»Ich bin bereits reich, Mademoiselle Thomas«, entgegnete Louverture abgelenkt. Ella kannte den Grund.
» Unanständig reich«, entgegnete sie.
»Ist die Kleine in Ordnung, Vanka?«
Vanka nickte.
»Dann habe ich nichts dagegen einzuwenden, dass Vanka und Sie mir Gesellschaft leisten, Mademoiselle, aber nicht, weil Sie mich unanständig reich machen wollen, sondern weil Sie eine Shade sind und
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