Die Mission
ich jünger war, Miss Baker. Jetzt singe ich.«
»Ach, wirklich?«, antwortete Josephine und hob überrascht die Braue. »Suchen Sie vielleicht einen Job, Schätzchen?«
»Nichts würde ich lieber tun als in einer Show zu singen, in der Sie auftreten, Miss Baker. Und sollte das Geschäft, über das ich mich gerade mit Monsieur Louverture unterhalten habe, zustande kommen, werde ich hoffentlich genau das tun können.«
»Geschäft? Was ist das für ein Geschäft, Louffie, Baby?«
Ella beantwortete die Frage für Louverture. »Ich will auf dem Schwarzmarkt Blut kaufen.«
»Eine Menge Blut«, berichtigte Louverture hastig. »Mademoiselle möchte, dass ich sechzigtausend Liter Blut nach Warschau liefere.«
Josephine musterte Ella prüfend. »Und warum regt sich eine Shade über die armen Teufel im Ghetto auf?«
»Weil die Polen morgen nicht mehr da sind, um uns zu helfen, wenn wir heute nicht ihnen helfen, Miss Baker. Eines Tages werden sich alle, ob weiß oder schwarz, zusammentun müssen, um Heydrich das Handwerk zu legen.«
Josephine lächelte und erhob das Glas auf Ella. »Gute Antwort, Miss Thomas. Gute Antwort. Wissen Sie, ich habe die Rookeries vor zwei Jahren verlassen, als Heydrich anfing, sich mit allen anzulegen, die seine engstirnigen Ansichten nicht teilen wollten. Dieser UnFunDaMentalistische Drill hat für Shades nicht viel übrig, also bin ich nach Paris gegangen, wo die Menschen sich einen Dreck darum kümmern, ob ich schwarz, weiß, grün oder blau bin … na ja, zumindest so lange, bis dieser Hundesohn von Robbespierre den Mund aufmachte. Der Mistkerl und seine Dreierbande verhunzen das ganze Quartier. Was für üble Rattenfänger: Ich kann sie nicht ausstehen!« Sie nahm einen kräftigen Schluck Champagner. »Es ist das erste Mal, dass ich seitdem wieder im ForthRight bin, und eins kann ich Ihnen sagen, Miss Thomas, es wird auch das letzte Mal gewesen sein. Mir ist es scheißegal, welche Hautfarbe ein Mensch hat, es kommt darauf an, welche Farbe seine Seele hat, und Heydrichs Seele ist schwärzer, als meine Haut jemals sein wird.«
Ella nickte zustimmend. »Ich hoffe, dass eines Tages die Hautfarbe eines Menschen nicht mehr oder weniger bedeuten wird als die Farbe seiner Haut, dass man die Religion, der er angehört, nur als die Stimme seiner Seele betrachtet, dass der Ort, an dem ein Mensch geboren wird, nicht mehr Gewicht hat, als das Fallen eines Würfels, und dass eines Tages jeder als freier Mensch geboren wird und das Verständnis füreinander Liebe und Brüderlichkeit hervorbringt.«
»Große Worte für ein so junges Ding, Miss Thomas«, sagte Josephine leise. »Ist das von Ihnen?«
»Nein, Miss Baker, von Ihnen. Es ist eines der wichtigsten Dinge, die ich je gelernt habe.«
Josephine sah sie an. »Ich kann mich nicht erinnern …«
Ella fuhr vorsichtig fort. »Das Problem, Miss Baker, liegt darin, dass Heydrich Krieg führt, um der Demi-Monde seine Vorstellung von Rassenhygiene aufzuzwingen. Die Eroberungspolitik wird ihm erlauben, alle jene zu beseitigen, die er als UnterWesen betrachtet. Wir beide, Miss Baker, aber auch Sie, Monsieur Louverture, gehören dieser Kategorie an.«
Ihre Worte hatten eine ernüchternde Wirkung auf die Stimmung in der Runde.
»Haben die Menschen in Warschau überhaupt eine Chance?«, wollte Josephine wissen.
»Das hängt davon ab, was man unter ›Chance‹ versteht«, erklärte Ella. »Die Polen werden die Anglos niemals besiegen können, aber je länger sie durchhalten, desto mehr Menschen werden erkennen, dass das ForthRight nicht unbesiegbar ist. Und das, so meine ich, ist das größte Geschenk, das die Polen den Bewohnern der Demi-Monde machen könnten: den Glauben, dass es nicht sinnlos ist, sich gegen das ForthRight zu erheben.«
»Ist es denn überhaupt realistisch?«, fragte Louverture. »Sind die Polen trotz ihrer aussichtslosen Lage gewillt zu kämpfen?«
»Nur wenn die anderen Sektoren ihnen helfen. Ohne Munition, ohne Nahrung und ohne Blut können sie nicht überleben.«
Das Gespräch wurde von einem Kellner unterbrochen, der Louverture einen Zettel überreichte. Er faltete ihn auf und las die Nachricht. » Ma chérie , dein unbedeutender Graf drüben an Tisch Nummer fünfundzwanzig« – er nickte in Richtung der anderen Seite des Clubs –, »lädt uns zu seiner kleinen Privatparty ein.«
Lächelnd wandte er sich zu Vanka und Ella um. »Monsieur … Mademoiselle … Sie müssen uns entschuldigen, leider hat ein Weltstar wie Miss
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