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Die Mission

Die Mission

Titel: Die Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rod Rees
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Herrschaftssystem, bei dem alle Erwachsenen einer Gesellschaft ihre eigene Regierung wählen … oder wie in diesem Fall über etwas abstimmen, was ihr Leben radikal verändern würde.«
    »Lächerlich«, spottete Trixie Dashwood. »Demokratie ist eine beschönigende Umschreibung für die Herrschaft des Pöbels. Woher soll der Mann auf der Straße wissen, wer der beste Führer ist? Woher soll der Mann auf der Straße wissen, wie man ein Land regiert? Man muss den Menschen sagen, was sie zu tun haben. Ihre Demokratie ist das Rezept für Unentschlossenheit, für Chaos und Anarchie.«
    Dabrowski teilte diese Zweifel nicht. »Nein, Miss Thomas hat recht. Wir müssen die Menschen über die Risiken und Gefahren aufklären, die bestehen, wenn sie ins Jenseits aufbrechen oder wenn sie im Ghetto bleiben. Und dann müssen die Menschen selber entscheiden. Sie sollen darüber abstimmen, ob sie bleiben oder gehen wollen. Jawohl, die Warschauer Bevölkerung soll entscheiden, nicht ich.«
    Trixie sah ihn erstaunt und zugleich verächtlich an. »Ich flehe Sie an, Major, tun Sie das nicht. Sie können doch nicht die Menschen entscheiden lassen, Sie müssen ihnen befehlen. Ein starker Führer debattiert nicht, er befiehlt.«
    »Genug«, verkündete Dabrowski. »Wir werden die Fakten auf den Tisch legen, und dann soll das Volk entscheiden. Sollte es dafür stimmen, ins Große Jenseits aufzubrechen, wird es sein Entschluss sein und nicht meiner.« Er lächelte schief. »Aber als Allererstes muss ich jetzt einen Kommandanten finden, der verrückt genug ist, um die Blutbank einzunehmen und zu halten.«
    »Diese Ehre beanspruche ich für mich, Major«, erklärte Trixie. »Aber eines sollten Sie wissen, Miss Shade. Wenn Sie diesmal wieder versagen und dreihundert meiner Kämpfer unnötig in den Tod führen, schwöre ich Ihnen bei allen Geistern, dass ich Ihnen mit bloßen Händen den Hals umdrehe, und wenn es das Letzte ist, was ich auf dieser Welt tun muss.«
    Ella sah sie an und wusste, dass sie jedes Wort ernst meinte.
    Obwohl Ella den Eindruck hatte, dass Dabrowski allmählich der Sinn für die Realität abhandenkam, musste sie zugeben, dass sie die anderthalb Millionen Erwachsenen in Warschau unmöglich zusammentrommeln konnten, um ihnen zu sagen, was gesagt werden musste. Also befolgten sie den Vorschlag des Delegierten Trotzki und ließen im Ghetto verkünden, dass jeweils tausend Bürger, die älter als sechzehn waren, einen Vertreter wählen sollten. Diese Vertreter sollten dann an einer Versammlung teilnehmen, in der man sie über Ellas Vorschlag unterrichten und ihnen Gelegenheit geben würde, darüber zu diskutieren. Danach würden sie zu ihren Wählern gehen und ihnen Bericht erstatten. Mit diesen Kenntnissen, so hoffte Trotzki, könnten die Bürger Warschaus anschließend entscheiden, ob sie lieber gehen oder bleiben wollten.
    Da sie fünfzehnhundert Delegierte unterbringen mussten, beschlossen sie, die Versammlung in der Industriezone abzuhalten, in einem der Warenlager, die jetzt leer standen. Am Nachmittag des folgenden Tages trat Dabrowski vor die versammelten Vertreter. »Freunde und Mitbürger«, begann er. Seine Stimme war so schwach und leise, dass man ihn in den hinteren Reihen kaum verstand. »Ich habe euch hierher berufen, um mit euch über unser weiteres Schicksal zu entscheiden. Ich will ganz ehrlich sein: Wir haben die Kontrolle über die Blutbank verloren, und unsere Versuche, das Ghetto mit Blut von außen zu versorgen, sind gescheitert. Unsere Blutreserven reichen noch für höchstens zwei Wochen aus.«
    Diese schockierende Äußerung brachte alle zum Schweigen. Es war, als blickten sie dem Tod ins Gesicht.
    »Noch gestern dachte ich, ich müsste vor euch treten und euch sagen, dass es Zeit ist, die Waffen niederzulegen und sich Heydrichs Gnade auszuliefern. Jetzt aber gibt es neue Hoffnung, die uns eine ungewisse – ja vielleicht auch gefährliche – Zukunft verspricht. Und da sie so gefährlich ist, soll jeder Einzelne von euch darüber entscheiden, ob er gewillt ist, dieses Risiko auf sich zu nehmen oder nicht. Wir glauben, dass wir die Grenzschicht durchbrechen könnten.«
    Einen Augenblick herrschte Totenstille, dann brach ein Sturm von Fragen los. Dabrowski musste mit einem Holzhammer auf den Tisch schlagen, den er als Rednerpult benutzte, um die Ruhe wiederherzustellen.
    »Ich wiederhole: Wir haben die Vermutung – und ich betone, dass es nur eine Vermutung ist, keine Gewissheit –, dass wir die

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