Die Mission
Nachrichten über die ausgebrochenen polnischen Zwangsarbeiter erhielt, hielt er es für besser, seine Männer vorsichtshalber in den Kasernen zu belassen, sodass die Armee des Barons unbehelligt an Odessa vorbeimarschieren konnte.
Wären unter den polnischen Häftlingen nicht so viele alte Veteranen aus den Unruhen gewesen – disziplinierte Männer, die es gewohnt waren, Befehlen zu gehorchen –, hätte Crockett es nie geschafft, den Haufen anzuführen, und alles wäre im Chaos versunken.
Hätte ihr Überfall tagsüber stattgefunden, hätte sich die Armee des Barons bald im Labyrinth von Odessas schmalen Gassen verirrt. Doch während der Nacht hatten sie den Schein der Feuer vor Augen, die in Warschau wüteten, und konnten den Spuren der Artilleriegranaten am Himmel folgen, die wie Lichtbündel auf die Industriezone Warschaus herabregneten.
Aber vor allem waren sie heilfroh über den Vorabend des Frühlings und dass so viele Soldaten des ForthRight sternhagelvoll waren.
Sie überfielen den Southgate-Eingang des Ghettos. Es war weder ein koordinierter noch ein gut geplanter Angriff, aber er war wirkungsvoll. Die SS hatte mit einem Angriff von außerhalb des Ghettos nicht gerechnet, erst recht nicht durch tausende bewaffnete und rachsüchtige polnische Zwangsarbeiter. Der Widerstand brach schnell zusammen, und innerhalb von Minuten waren die Polen im Ghetto, doch sie hatten keine Zeit, um sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen. Dashwood und Crockett trieben sie unermüdlich voran, stauchten alle zusammen, die stehen blieben, um Wagen zu plündern oder um sich auf vereinzelte Scharmützel einzulassen, und erinnerten sie daran, dass eine noch viel größere Beute winkte.
Merkwürdigerweise stießen sie kaum auf Widerstand, als sie durch die zerbombte Stadt marschierten. Der Baron schloss daraus, dass Clement von ihrem bevorstehenden Angriff Wind bekommen und es offenbar vorgezogen hatte, seine Verteidigungslinie im Osten des Ghettos aufzubauen, um nicht in die Zange genommen zu werden. Die Leichtigkeit, mit der die Armee des Barons die Verteidigungslinien der SS durchbrach und bis zu den Barrikaden gelangte, die von der FAW gehalten wurden, war beunruhigend.
Baron Dashwood hätte seine Tochter fast nicht wiedererkannt. Er musste sich selbst einreden, dass diese schmutzige, zerlumpte Frau mit dem kurz geschnittenen Haar tatsächlich seine Trixiebell war. Nicht nur ihr Äußeres bereitete dem Baron Sorge. In wenigen Wochen war aus dem launischen, weltfremden jungen Ding, das er gekannt und geliebt hatte, ein völlig anderer Mensch geworden. Sie war härter und kälter. Sogar ihre Umarmung war verlegen gewesen … beinahe widerwillig.
Trotzdem musste er zugeben, dass er von der entschiedenen Art, wie sie mit ihren Offizieren umging, sehr beeindruckt war. Sie wurde von allen respektiert; selbst die kampferprobten FAW -Offiziere des Oberkommandos erkannten ihre uneingeschränkte Autorität an.
Vielleicht, dachte der Baron, würde er seine Trixiebell wiederbekommen, wenn der Krieg und das Chaos zu Ende waren. Doch als er den großen Hauptmann sah, der schützend hinter seiner Tochter stand, hatte Dashwood – wie alle Väter irgendwann im Leben – das Gefühl, dass seine Trixie nicht mehr ihm gehörte. Der brutale Wysochi hatte ihn abgelöst.
Auch jetzt wandte sie sich an ihn. »Teilen Sie die Kämpfer, die mit meinem Vater gekommen sind, unter unseren vier Regimentern auf, Hauptmann. Die Neuankömmlinge werden in die FAW integriert.«
»Es wäre besser, meinen Männern eine kurze Verschnaufpause zu gönnen, außerdem brauchen sie etwas zu essen. Sie haben sich bislang von Resten ernähren müssen …«
Trixie starrte ihren Vater fassungslos an. Offensichtlich war sie es nicht mehr gewohnt, dass man ihr widersprach.
»Vater«, sagte sie so leise, dass nur der Baron und Wysochi sie hören konnten. »Hier befehle ich. Und wenn ich einen Befehl erteile, wird er befolgt. Wir sind hier nicht im Parlament, in einer Armee kann es keine Demokratie geben. Hast du verstanden?«
Der Baron war wie vom Blitz getroffen. »Aber, Trixie, ich habe nur vorgeschlagen, dass …«
»Vater, bitte! In der Öffentlichkeit will ich ausschließlich mit Major oder Sir angesprochen werden.« Dann wandte sie sich wieder Wysochi zu. »Teilen Sie die Männer unter den vier Regimentern auf. Jetzt ist es elf Uhr. Um Mitternacht ist die Armee bereit, aus dem Ghetto auszubrechen. Ich werde die SS angreifen, bevor sie sich neu formieren
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